50 Shades of Rat – Ahlens Demokratie hat Zuwachs bekommen

Grund dafür sind die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate – das politische Pendant zu „Ups, da ist wohl einer zu viel auf der Gästeliste“. Man wollte eigentlich 44 Stühle aufstellen, nun mussten spontan sechs weitere Bierzelttische her. Und als wäre das nicht genug, sitzt ganz vorne noch das Bonus-Mitglied Nummer 51: der Bürgermeister himself. Der darf nicht nur mitreden, sondern auch die Sitzung leiten – eine Art Klassenlehrer in der Oberstufe der Lokalpolitik.

Den Anfang machte traditionell die Ehrenvorsitzende, die schon länger im Rat ist als mancher Abwasserkanal alt – sie durfte die Sitzung eröffnen. Mit der Routine eines Polit-Urgesteins übernahm sie das Mikrofon und erklärte, wer künftig was darf, wer mit wem an einem Tisch sitzt und wer besser keine langen Reden hält.

Dann der große Moment: Die Amtseinführung des neuen Bürgermeisters. Feierlich, feiernd, feierabendnah. Der neue Chef des Rates schwor, die Stadt zu führen, zu schützen und niemals die Sitzungsglocke zu früh zu schlagen.

Natürlich stand auch die Kür der Stellvertreter an – schließlich braucht jede gute Demokratie ihre Vertretung, falls der Chef mal auf Dienstreise, Karneval oder Kaffeepause ist. Der erste Stellvertreter kam von der CDU, der zweite von der SPD – ein klassisches Beispiel kommunaler Gleichgewichtsakrobatik. So bleibt das Rathaus auch dann stabil, wenn draußen mal wieder ein politischer Sturm tobt (oder der WLAN-Router streikt).

Und weil Ordnung sein muss, durfte der jüngste Ratsangehörige – frisch aus dem Wahlkampf, wahrscheinlich noch mit Restenergie aus der TikTok-Kampagne – die Verpflichtungsformel für alle verlesen. Die Älteren nickten ehrfürchtig, manche vermutlich aus Müdigkeit, andere aus Nostalgie. So wurde der Rat offiziell vereidigt – 50 Köpfe, 50 Meinungen, 50 verschiedene Vorstellungen davon, was „Sitzungsdisziplin“ bedeutet.

Das Ergebnis: Die Stadt Ahlen hat jetzt einen Rat, der nicht nur zahlenmäßig gewachsen ist, sondern auch in puncto Vielfalt, Diskussionsfreude und Stuhlbedarf neue Maßstäbe setzt. Ein echtes demokratisches Muskeltraining – mit Überhang.