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80 Millionen fürs Flattern: Wenn eine Bahnstrecke wegen Fledermäusen Pause macht

Es gibt Bahngeschichten, die sind so absurd, dass man sie nur in Deutschland erleben kann – und dann gibt es die Hesse-Bahn in Baden-Württemberg, die selbst diesen Maßstab noch mit einem eleganten Doppelsalto übertrifft. Dort nämlich steht eine nagelneue, sündhaft teure Bahnstrecke still. Warum? Ein kaputtes Stellwerk? Ein fehlender Fahrplan? Ein Schaffner, der verschlafen hat? Nein. Viel besser: Fledermäuse.

80 Millionen fürs Flattern

Ja, richtig gelesen. Die kleinen, flatternden Nachtschwärmer mit dem charmanten Orientierungssystem haben entschieden, dass in Calw keine Züge rollen. Die Bahnstrecke ist fertig, der Tunnel ist fertig, die Gleise glänzen wie frisch geputzte Zahnspangen – aber auf der Schiene passiert: nichts. Niente. Stillstand deluxe. Und der Grund ist so deutsch, dass man sich fragt, ob Loriot das Skript geschrieben hat.

Die Sache ist natürlich wesentlich komplizierter, denn in Deutschland macht man nichts halb. Wenn Fledermäuse mitreden wollen, dann aber richtig. Die Tiere haben nämlich Anspruch auf Schutz, Lebensraum und Respekt – und diesen Respekt drückt man am besten in Millionenhöhe aus. 80 Millionen Euro, um genau zu sein. Das ist der Betrag, den man investiert hat, damit in diesem Tunnel Fledermäuse leben, pendeln und vermutlich auch ihre kleinen Fledermaus-Wohnungseinrichtungen anbringen können.

Man stelle sich das vor: Während die Fahrgäste der Region sehnsüchtig auf den Zug warten, sitzen die Fledermäuse im Tunnel, schauen sich zufrieden um und sagen vermutlich: „Schön hier! Und alles nur für uns.“ Manche nennen es Stillstand, die Fledermäuse nennen es wohl: Penthouse mit Gleisanschluss.

Natürlich ist das Ganze nur möglich, weil Deutschland sich auf wundervolle Weise selbst im Weg stehen kann. Bau abgeschlossen? Check. Schiene verlegt? Check. Bahn bereit? Check. Umweltrechtliche Supermission endlich erfolgreich? Ah – da war ja was. Denn die Tiere haben offenbar beschlossen, dass der Tunnel nicht einfach nur ein Tunnel ist, sondern ihr persönliches AirBnB. Und solange sie nicht offiziell umgezogen sind (und wahrscheinlich ein Formular 27b ausgefüllt haben), bleibt die Strecke zu. Regeln sind schließlich Regeln.

Die Pendler aus Calw sehen das naturgemäß etwas anders. Sie stehen morgens an der Haltestelle, frieren, schauen in die Ferne und fragen sich: „Kommt heute ein Zug? Oder hat die Fledermaus wieder Nachtruhe verlängert?“ Ein unvergesslicher mentaler Zustand zwischen Comedy und Verzweiflung.

Doch man muss fair bleiben: Die Fledermäuse können nichts dafür. Sie haben keinen Bauantrag gestellt, keinen Förderbescheid beantragt und garantiert keine Idee gehabt, dass man für sie 80 Millionen Euro versenkt hat. Die wahren Protagonisten dieser operettenhaften Posse sitzen in Büros, schreiben E-Mails, erstellen Gutachten, prüfen Gutachten, erstellen Gegengutachten und füllen Tabellen aus, die wahrscheinlich mit „Fledermaus-Monitoring – Quartal 17“ überschrieben sind.

Und während die Bahn jahrelang an der Strecke werkelte, entschieden die Tiere: „Hier ist nett, hier bleiben wir.“ Und zack, musste die Natur eingebaut, geschützt, überwacht und finanziert werden. Deutschland eben: Alles wird ordentlich gemacht. Sogar Stillstand.

Doch geben wir der Sache einen positiven Dreh: Es gibt jetzt wenigstens einen Tunnel in Deutschland, der definitiv nicht überlastet ist. Keine Störungen, keine Weichenprobleme, keine Verspätungen – höchstens mal ein flatterndes Geräusch und ein gut gelauntes „Ziiiiiiep“ im Dunkeln. Die Fledermäuse haben eine perfekte Verkehrsinfrastruktur. Die Menschen… eher nicht.

Vielleicht, ganz vielleicht, schafft es die Bürokratie ja irgendwann, den Tieren ein Ersatzappartement zu organisieren, einen Umzugswagen zu bestellen oder ihnen wenigstens zu erklären, dass Pendler wirklich dringend weiterkommen möchten. Bis dahin aber bleibt die Hesse-Bahn ein Paradebeispiel für das, was Deutschland im Herzen ist: ein Land, in dem Natur, Bürokratie und Schienenverkehr gemeinsam entscheiden, dass nichts passiert – aber auf höchstem Niveau.