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Beton der Gefühle zeigt – der Begleitausschuss Bürgercampus tagte, die Werse lauschte

Ahlen. Es war ein Donnerstag, der nach Fortschritt roch – oder zumindest nach frischem Beton und leichtem Amtsparfüm. Punkt 17 Uhr begann im ehrwürdigen Ratssaal die Sitzung des Begleitausschusses „Bürgercampus“. Das klang so nach Zukunft, dass selbst der Beamer kurz aufleuchtete, als wolle er sagen: Heute wird Geschichte gegossen.

Beton der Gefühle zeigt – der Begleitausschuss Bürgercampus tagte, die Werse lauschte

Erst die Tiefgarage, dann die Tiefgründigkeit

Die Sitzung hatte mit einer Besichtigung begonnen – wie es sich für Baufortschritt gehört, nicht mit Worten, sondern mit festem Schuhwerk. Treffpunkt war der Eingang der Tiefgarage, jener Kathedrale des kommunalen Pragmatismus, in der künftig die Dienstwagen der Digitalisierung parken sollten. Man sah Wände, die noch feucht vom Ehrgeiz waren, und Pfeiler, die nach Verantwortung dufteten.
Der Beigeordnete führte souverän durch den Rohbau. Es wurde genickt, gestaunt, geflüstert: „Hier kommt also Verwaltung 2.0 hin.“ Nur der Beton schwieg – doch in seinem Schweigen lag Zuversicht.

Das Rathaus – eine Abschiedsvorstellung in zwei Akten

Dann folgte das große Thema: der Rückbau des alten Rathauses. Zwei Ingenieure hatten Pläne im Gepäck, so detailliert, dass selbst ein Stück Mörtel rot geworden wäre.
Sie erklärten, wie das ehrwürdige Haus in zwei Phasen verschwinden sollte – leise, staubarm und selbstverständlich im Einklang mit der Umwelt. Leise allerdings nur im theoretischen Sinn. Denn einer der Ingenieure brachte es auf den Punkt: „Ein großes Gebäude leise zurückzubauen ist unmöglich.“ Das war kein Geständnis, sondern Poesie mit Schutzhelm.

Es ging um Schadstoffe, Recycling und um die Frage, ob Pferdestärken oder Longfront-Bagger das größere Herz hätten. Es wurde betont, dass der Beton zu neuem Leben erweckt werden könne – quasi Wiedergeburt durch Zerkleinerung. Selbst in der Asche des Abrisses wohnte also noch Hoffnung.

Ein Ausschussmitglied fragte besorgt, ob man das alte Rathaus weiter beheizen müsse, solange noch ein paar Büros benutzt würden. Schließlich sei Wärme teuer und Politik sparsam. Die Antwort kam prompt: Nur das, was gebraucht werde, werde geheizt. Der Rest dürfe schon mal abkühlen – ein emotionaler Abschied in Etappen.

Dann kam das Thema Bibliothek. Sollte sie umziehen? Vielleicht zum Bürgerservice, vielleicht in die Südstraße. Man wollte es prüfen. Ahlen, die Stadt der offenen Möglichkeiten – selbst Bücher bekamen hier Wahlfreiheit.

Recycling, Lärmschutz und der Traum vom stillen Bagger

Es wurde weiter über Recyclingquoten diskutiert. Einer wollte wissen, wie viel Material wiederverwendet werden könne. Eine konkrete Zahl gab es nicht, aber eine Tendenz: viel.
Beton, Stahl, vielleicht sogar ein bisschen Idealismus.
Man wolle, hieß es, „den späteren Unternehmern Vorgaben mitgeben“. Das klang ein wenig nach Erziehungsauftrag an die Zukunft – und das ist es ja auch: Bauen mit Haltung.

Die Ingenieure beschrieben den Abbruchprozess wie einen Tanz – mit großen Geräten, Staubberieselung und Schutzmatten für die Bäume. Es war der vielleicht poetischste Moment des Abends: der Versuch, mit Hydraulikzangen Rücksicht zu nehmen.

Nur eines konnte man nicht verhindern: den Lärm.
„Ein großes Gebäude leise zurückzubauen, geht nicht“, hatte einer gesagt – und alle nickten, als hätten sie damit die letzte Illusion aus dem Baustoffkatalog gestrichen.

Wenn der Zeitplan zur Religion wird

Beim dritten Tagesordnungspunkt ging es dann um Zahlen, Zeit und Zuversicht.
Der Projektsteuerer präsentierte den überarbeiteten Rahmenterminplan – jenes heilige Dokument, das alle kannten, aber kaum jemand glaubte.
Das Stadthaus solle bis April 2026 fertig werden, das Bürgerforum bis Oktober 2027. Und wenn alles gut gehe, werde der gesamte Campus im November 2029 strahlen.
„Das ist der Worst-Case-Zeitplan“, sagte der Projektleiter.
Im Saal herrschte kurze Stille, dann Hoffnung.

Man sprach über Verzögerungen bei der Heizung, über Sprinklertanks, über EU-Ausschreibungen, die keiner beklagt hatte – was in der Bauwelt ungefähr so selten ist wie ein veganer Betonmischer.
Das Publikum zeigte sich beeindruckt: alles planvoll, alles geprüft, alles fast in der Spur.

Wenn Denkmäler aufatmen

Ein Ausschussmitglied brachte das Thema Förderrad auf. Was geschehe damit, wenn alles neu sei?
Die Antwort: Es bleibe, wo es sei – wie ein erfahrener Zeitzeuge, der sich den Bauhelm abnimmt und sagt: „Ich hab schon schlimmere Umbauten gesehen.“
Auch die Wannenpresse dürfe bleiben, die alten Denkmäler sollten harmonisch in die neuen Außenanlagen integriert werden. Ein Schulterschluss zwischen Vergangenheit und Zukunft – der Bürgercampus als Symbol für Versöhnung zwischen Beton und Erinnerung.

Die Werse bekommt wieder Luft

Dann kam die Werse ins Spiel – das stille Gewässer, das bisher brav unter Rathaus und Verantwortung hindurchgeflossen war.
Man wolle sie renaturieren, hieß es.
Die alte Aufstauung, einst für Kühlung gedacht, habe ihren Dienst getan. Nun solle das Wasser wieder frei fließen – 1,60 Meter tiefer, aber moralisch höher.
Das klang fast spirituell: Die Verwaltung baute ab, die Natur baute auf.

Man sprach über Hochwasserschutz, Fischtreppen ohne Fische und technische Bauwerke ohne Sinn. Es war ein bisschen wie eine philosophische Sitzung über Sinn und Unsinn von Zivilisation.
Am Ende herrschte Einigkeit: Die Renaturierung sei für alle ein Gewinn.

Paralleluniversen und Zeitachsen

Gegen Ende ging es noch um den Zeitplan für die Renaturierung.
Sollte sie parallel zum Abriss stattfinden oder danach?
Die Antwort: Es hänge von einem Versorgungsarm ab – ein schönes Bild für das ganze Projekt. Denn irgendwie schien jeder Teil des Campus mit einem anderen verbunden, und alle warteten darauf, dass endlich jemand den richtigen Schalter umlegte.

Ein Mitglied schlug vor, man solle darauf achten, nicht erst aufzuschütten, was man zwei Wochen später wieder abtrage. Der Vorsitzende nickte – das klang vernünftig. Und Vernunft, das wusste man im Saal, war die seltenste Ressource auf Baustellen.

Die Kanalfrage – das Loch im Herzen der Friedrich-Ebert-Straße

Zum Schluss kam noch das „Verschiedenes“, jenes kleine Fenster, durch das in kommunalen Sitzungen oft die großen Wahrheiten hereinwehen.
Es ging um einen Kanalanschluss an der Friedrich-Ebert-Straße.
Würde die Straße gesperrt?
Die Antwort: ein entschiedenes Vielleicht.

Ein Ingenieur erklärte geduldig, dass ein Schacht direkt unter der Gebäudekante sitze, der um dreieinhalb Meter verlegt werden müsse. Dazu brauche man Platz, Zäune, Maschinen – und Geduld.
Der Gehweg sei deshalb gesperrt, weil das Baufeld knapp bemessen sei.
Kurz: Der Bürger solle nicht stolpern, sondern Vertrauen haben.

Man verstand. Schließlich müsse Großes manchmal kleine Umwege gehen – auch zu Fuß.

Ein Abend voller Visionen, Staub und Zuversicht

Um 19:16 Uhr endete der öffentliche Teil der Sitzung. Man sah sich an, man nickte, man wusste:
Hier war Zukunft beschlossen worden – mit Maßband, Milde und einer Prise Humor.

 

Das alte Rathaus würde verschwinden, aber es ging nicht verloren. Es würde wieder auftauchen – als Bürgerforum, als Campus, als Symbol dafür, dass Ahlen es kann: die Balance zwischen Bagger und Bürgerdialog.
So klang Fortschritt in Ahlen – freundlich, sachlich, ein bisschen staubig, aber mit Herz.
Die Stadt rüstete sich für ein neues Kapitel, die Werse für mehr Freiheit, und der Bürgercampus für die Zukunft.
Und wenn 2029 tatsächlich alles fertig sein würde, dann würde man vielleicht sagen:

„Es war eine lange Sitzung, aber sie hat sich gelohnt.“