Der große Apfelansturm: Warendorf verschenkt Zukunft – Stamm für Stamm
Im Oktober wurde die Aktion ausgerufen, und wie bei jeder guten Äpfel-Bürger-Liebe-Story dauerte es nicht lange, bis die Menschen sich meldeten, als würde es einen neuen Smartphone-Release geben. Am letzten Samstag fand nun die feierliche Übergabe statt. Die ca. drei Meter hohen Stämme standen am Kreishaus in einer Art Grünzeug-Drive-Through bereit – perfekt organisiert vom Amt für Planung und Naturschutz. Dort werkelten die Mitarbeiter*innen mit einer Präzision, die man sonst nur bei Chirurgen oder professionellen Torten-Dekorateuren findet. 100 Abholer pro Stunde wurden durchgeschleust, ohne Stau, ohne Drängeln, ohne Äpfelwurf – ein logistisches Wunder.
Und das Beste: Die neuen Baum-Eltern durften zwischen fünf alten Apfelsorten wählen. Alte Sorten! Also jene legendären Geschmacksvarianten, die heutzutage seltener sind als Menschen, die keine Streamingdienste abonniert haben. Plötzlich stand man da vor Sortennamen, die so klangen wie Vorfahren aus einem Märchenwald: „Roter Herbstprinz“, „Gelber Münsterländer“, „Schöner aus irgendeinem Tal“, „Kaiserlicher Knubber“ – oder wie sie auch immer heißen mögen. Hauptsache alt, selten und garantiert nicht im Supermarkt erhältlich.
Doch damit nicht genug. Der Apfelbaum ist nicht einfach ein Apfelbaum. Nein, er ist ein multifunktionaler Zukunftskollege:
Er spendet Schatten.
Er produziert Früchte.
Er bietet Tieren ein Zuhause.
Er steht einfach da und sieht gut aus.
Kurz: ein nachhaltiges All-inclusive-Paket für Gartenbesitzer.
Die Abholer*innen hatten vorher umfangreiche Infos bekommen – über Sorten, Pflege, Standorte und alles, was man wissen muss, um nicht versehentlich einen Baum zu adoptieren, der nach drei Wochen beleidigt eingeht. Besonders wichtig: der Obstbaumschnitt! Denn ein Apfelbaum ist wie ein Haustier: ohne Pflege wird’s schwierig. Deshalb demonstrierte die Untere Naturschutzbehörde direkt vor Ort live, wie man richtig schneidet. Eine Art Baumschnitt-Show, die wahrscheinlich nur knapp daran vorbeiging, Applaus und Autogrammkarten zu bekommen.
Das alles soll dafür sorgen, dass die Apfelbäume mindestens 100 Jahre alt werden können – also deutlich länger als die durchschnittliche Garantiezeit eines Haushaltsgeräts. Manche dieser Bäume werden vermutlich noch stehen, wenn der Mensch längst auf Hyperloops pendelt und Smartphones nur noch als nostalgische Museumsstücke gelten.
Natürlich ließen es sich auch der Landrat und der Umweltdezernent nicht nehmen, persönlich vorbeizuschauen. Man weiß ja, wie gern Politiker*innen sich fotografieren lassen, wenn Bäume im Spiel sind: lächelnd neben dem Stamm, stolz das Namensschild haltend, irgendwo zwischen „Naturfreund“ und „Wahlkreisliebling“ grinsend.
Wer jetzt denkt: „Wow, das war schon alles?“ – der irrt. Der Kreis setzt noch einen drauf und verweist auf den Blog des Netzwerks Streuobstwiese. Dort findet man alles, was das Obstherz höher schlagen lässt: Geschichten über alte Sorten, Streifzüge über Wiesen, Geheimnissuche am Wegrand und Tutorials zum Veredeln von Obstbäumen. Ein Blog, der klingt wie eine Mischung aus Naturabenteuer, Wissenschaft und der leisen Hoffnung, dass mehr Menschen wieder wissen, dass ein Apfel nicht in der Plastikschale wächst.
Am Ende bleibt nur ein Fazit: Der Kreis Warendorf hat nicht nur 500 Bäume verschenkt, sondern 500-mal Zukunft, 500-mal Artenvielfalt und 500-mal „Schau mal, ein Apfel!“. Eine Aktion, die so sympathisch ist, dass man sich fast wünscht, sie würde jedes Jahr wiederholt – bis wirklich jeder Bürger einen Baum hat. Oder zwei.