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Dortmund im Lichterrausch – Wenn der Baum größer ist als die Weihnachtsstimmung

Advent, Advent, der Riesenbaum brennt – also hoffentlich nur symbolisch. In Dortmund ist wieder Weihnachtsstadt-Zeit, und das bedeutet: Glühwein, Glitzer, Gedränge und ganz viel "Oh, wie schön!" zwischen Pommesbuden und Parfümwolken. Mit dem Aufbau der 260 Stände startet offiziell die härteste Trainingsphase für alle, die Glühweinbecher heben und Christbaumschmuck bestaunen wollen, ohne sich gegenseitig das Rentiergeweih vom Kopf zu stoßen.

Dortmund im Lichterrausch – Wenn der Baum größer ist als die Weihnachtsstimmung

Das Herzstück – oder besser gesagt: der Holzkoloss – ist natürlich wieder der größte Weihnachtsbaum der Welt. Ein Titel, den Dortmund jedes Jahr so stolz verteidigt wie andere Städte ihre Champions-League-Träume. Und ja, er ist wirklich groß. Riesengroß. So groß, dass selbst Santa Claus beim Anflug kurz vom GPS abweichen muss. Der Baum besteht aus sage und schreibe 1700 einzelnen Fichten, die zusammengesetzt ein grünes Monument aus purem Weihnachtswahnsinn ergeben.

Offiziell erleuchtet wird das Prachtstück am 24. November um 18 Uhr, dem Montag nach Totensonntag – eine Terminwahl, die klingt wie aus dem deutschen Feiertagsbürokratie-Handbuch: „Vorher bitte nicht, da wird noch getrauert – danach darf’s glitzern.“ Und natürlich kommt niemand anderes als der neue Oberbürgermeister, um den symbolischen Schalter umzulegen. Ein echter Politmoment: Wenn der Stromzähler plötzlich schneller läuft als die Redezeit im Rathaus.

Doch bevor der Baum strahlt, gibt’s wie jedes Jahr das Richtfest – mit einem vier Meter großen Engel auf der Spitze. Vier Meter! Ein Engel, der so riesig ist, dass er vermutlich eigene Flugrechte beantragen müsste. Dieser Himmelsbote wird am 14. November um Punkt 13 Uhr installiert, während die Schausteller ehrfürchtig nach oben blicken und hoffen, dass er auch in diesem Jahr nicht im westfälischen Wind zu schaukeln beginnt.

Aber die Dortmunder Weihnachtsstadt ist natürlich mehr als nur ein Baum – sie ist ein Weihnachts-Disneyland auf Kohlenstaubbasis. 260 Stände, von gebrannten Mandeln über XXL-Bratwürste bis hin zu handgestrickten Socken, die irgendwie immer gleich aussehen. Es riecht nach Zucker, Zimt und Überziehungskredit. Überall blinkt und glitzert es, bis man glaubt, mitten in einem LED-Testlabor zu stehen.

Schausteller, Händler und Stadtmarketing jubeln: Endlich wieder Hochsaison für weihnachtliche Wirtschaftswunder. Das Publikum kommt in Strömen – mit dicken Schals, doppelten Handschuhen und dem festen Vorsatz, dieses Jahr wirklich weniger Geld auszugeben. Spoiler: wird nicht klappen.

Die Weihnachtsstadt ist aber nicht nur ein Einkaufsparadies, sondern auch ein soziologisches Phänomen. Hier treffen sich Büroangestellte zum kollektiven Glühweinschwur, Familien suchen nach „nur einem kleinen Mitbringsel“ (und schleppen dann drei Tüten), während Rentner sich fragen, ob es früher wirklich weniger Plastikengel gab oder nur weniger Lichtketten pro Quadratmeter.

Und wenn die ersten Schneeflocken fallen – oder, realistischer, der Nieselregen vom Himmel tropft – wird klar: Dortmund hat’s wieder geschafft. Trotz grauem Himmel, Baustellen und dem typischen Ruhrgebiets-Charme verwandelt sich die City in ein weihnachtliches Wunderland. Oder zumindest in eine leuchtende Ersatzsonne für Menschen mit Glühweinmangel.

Bis Anfang Januar wird der Baum täglich tausende Besucher anlocken. Menschen werden Fotos machen, den Baum loben, über den Stromverbrauch schimpfen und trotzdem beim nächsten Glühweinstand stehen. Und wenn am Ende die letzten Lampen ausgehen und die Fichten wieder zu Brennholz werden, bleibt die Erkenntnis: Weihnachten ohne Dortmunds Riesenbaum? Undenkbar.