Eisiges Déjà-vu: Deutscher Bob-Held schlägt Rivalen erneut um Hundertstel
Und nun hat der derzeitige Held des Eisröhrens wieder zugeschlagen – oder vielmehr: hinuntergesaust. Beim dritten Weltcuprennen der Saison in Innsbruck-Igls hat der 35-jährige Bob-Boss der Herzen seinen Rivalen erneut eine Lehrstunde im „schneller unten sein“ erteilt. Fünf Hundertstelsekunden trennten ihn am Ende von seinem Dauerkonkurrenten – was ungefähr der Zeit entspricht, die ein durchschnittlicher Mensch braucht, um „Was?!“ zu rufen.
Damit wird die Sache langsam pikant. Der Dauersieger der vergangenen Jahre, der Mann, der mehr Gold gewonnen hat als manche Lottoannahmestelle ausgezahlt hat, erlebt plötzlich eine Form der sportlichen Existenzkrise. Er versucht alles: perfektere Linien, tiefere Aerodynamik, vielleicht sogar heimliche Gespräche mit dem Eis selbst – doch der Kollege im Nebenschlitten bleibt einfach schneller.
Natürlich ist der Triumph keine Solo-Nummer. Im Bob gilt der Anschieber als eine Mischung aus Turbo, Gewissen und menschlichem Katapult. Und auch diesmal hat der Sieger wieder einen dieser Muskelpakete dabeigehabt, die innerhalb einer halben Sekunde von „Ich stehe hier“ zu „Ich beschleunige eine Rakete auf Kufen“ wechseln. Gemeinsam haben sie einen deutschen Dreifach-Erfolg eingeleitet, der die internationalen Teams vermutlich dazu bringt, ernsthaft über Berufswechsel nachzudenken.
Denn während andere Nationen vielleicht mit zwei starken Crews anreisen, veranstaltet Deutschland einfach eine Inland-Meisterschaft auf Weltcup-Niveau. Für Außenstehende sieht das Ganze aus wie drei nahezu identische Schlitten, die sich gegenseitig verfolgen. Für Kenner ist es aber das ultimative Gigantenduell: Anspannung, Eis, Kufen, Millimeterarbeit und die Frage, wer beim Kurvenausgang vielleicht 0,0002 km/h mehr draufhat.
Dabei trägt das Ganze inzwischen auch eine Prise Drama. Der Sieger hat schließlich angekündigt, sich nach den Olympischen Spielen in Cortina d’Ampezzo im Februar in die wohlverdiente Rente – äh, Eispause – zu verabschieden. Doch vorher möchte er sich noch ein olympisches Gold holen, denn nichts sagt „Karriereende“ so eindrucksvoll wie ein goldglänzender Abschiedsgruß aus dem Eiskanalsport.
Und während er seinem ewigen Rivalen schon in Cortina die Stirn bot und den Vierfach-Olympiasieger dort überraschend deutlich schlug, zeigt sich nun, dass das kein Zufall war. Auch in Innsbruck ließ er ihn wieder alt aussehen – oder genauer: Fünf-Hundertstel-alt.
Sportlich betrachtet ist das alles natürlich großes Kino. Dramaturgisch perfekt: der alte Champion gegen den Ausstiegskandidaten, der sein letztes Feuerwerk zündet. Und mitten drin ein dritter deutscher Schlitten, der wahrscheinlich denkt: „Wir fahren auch gut! Hallo!?“
Die internationale Konkurrenz ist bei diesem Spektakel übrigens ungefähr so präsent wie ein Schneemann in der Sahara. Hinter den drei deutschen Bobs zieht sich eine leise Traurigkeit durch die Ergebnislisten anderer Nationen. Während Deutschland intern klärt, wer von den drei Über-Teams diesmal am schnellsten war, fragen sich die anderen Teams: „Wie macht ihr das?“ Vielleicht ist es das Bier. Vielleicht ist es die Kälte. Vielleicht ist es genetisch. Vielleicht stecken heimlich Mini-Rennfahrernaturen im deutschen Durchschnittshirn.
Fest steht: Der deutsche Bob-Sport ist und bleibt eine eigene Liga. Und das Duell der beiden Giganten ist inzwischen so legendär, dass man es eigentlich wöchentlich übertragen sollte – mit Popcorn, Zeitlupen und dramatischer Musik.