Falsche Stadtwerke unterwegs: Der wohl trockenste ‚Rohrbruch‘ in Hamm – und was wir daraus lernen sollten
So geschehen am Donnerstag, dem 4. Dezember, in der Heessener Dorfstraße. Zwei junge Männer klingelten gegen 15:35 Uhr an der Tür einer 78-jährigen Bewohnerin und gaben sich als Mitarbeiter der Stadtwerke aus. Ein Klassiker der deutschen Betrugsfolklore – quasi der „Tatort“ unter den Maschen: immer gleich, aber trotzdem erschreckend erfolgreich.
Der Rohrbruch, der keiner war – aber sehr überzeugend klang
Die beiden Männer erklärten mit dramatischer Ernsthaftigkeit, es habe einen Rohrbruch gegeben. Einen Rohrbruch! In der Wohnung! Und natürlich müsse sofort „in der Küche geprüft“ werden, ob das unsichtbare Wasser bereits den unsichtbaren Schaden angerichtet habe.
Die Seniorin zögerte zunächst. Wer wäre da nicht misstrauisch?
Aber einer der Männer trug einen Ausweis um den Hals – und wie wir alle wissen: Wenn jemand ein laminiertes Etwas um den Hals trägt, muss es sich selbstverständlich um eine echte Fachkraft handeln.
Also durfte einer hinein.
Währenddessen schlich sich sein Komplize heimlich ins Schlafzimmer, suchte zielstrebig nach Wertsachen und nahm Schmuck mit – vermutlich in der Annahme, dass das ja auch zur „Stadtwerke-Ausbildung“ gehört.
Nach getaner Tat verschwanden beide Täter in eine „unbekannte Richtung“.
Ein Ort, der erstaunlich oft in Polizeimeldungen vorkommt und offenbar hervorragende Tarnmöglichkeiten bietet.
Die Täterbeschreibung – jung, schwarz gekleidet und professionell unprofessionell
Die Seniorin beschreibt Täter 1 wie folgt:
- etwa 20–25 Jahre alt
- ca. 1,70 m groß
- dunklerer Teint
- fließendes, einwandfreies Deutsch
- schwarzer Parka, schwarze Hose
- Arbeitshandschuhe mit Logo (!), innen gummiert
- ein Ausweis um den Hals (vermutlich nicht vom städtischen Drucker)
Täter 2:
Ebenfalls 20–25 Jahre alt.
Mehr konnte sie nicht erkennen – vermutlich, weil er schneller war als der Rohrbruch, den er vorgab zu bekämpfen.
Diese Beschreibung ist präzise genug, um jeden vierten Menschen auf einem Weihnachtsmarkt anzuhalten – aber hoffentlich hilft sie trotzdem.
Die Polizei: „Bitte erst glauben, dann prüfen – aber nicht andersrum.“
Die Polizei Hamm nimmt Hinweise unter 02381 916-0 oder per Mail entgegen.
Bei akuten Verdachtsmomenten gilt wie immer: 110 wählen und nicht lange fackeln.
Und die wichtigste Regel, die eigentlich groß auf jedem Kühlschrank stehen sollte:
Unbekannte niemals in die Wohnung lassen.
Ausweisen lassen.
Vor der Tür warten lassen.
Und im Zweifel bei den echten Stadtwerken anrufen.
Denn echte Fachkräfte der Stadtwerke haben vor allem eins:
Einen Auftrag – aber nicht die Mission, Omas Schmuckschatulle zu plündern.
Das Problem mit der Freundlichkeit
Der Fall zeigt einmal mehr:
Der deutsche Hang zur Höflichkeit macht uns verletzlich.
Wir öffnen Türen.
Wir sagen „Natürlich, kommen Sie rein“.
Wir machen Platz.
Wir bringen sogar noch Kaffee.
Doch die neue Realität lautet:
Nicht jeder, der behauptet, eine Wasserleitung zu retten, ist auch in der Lage, zwischen Schraubenschlüssel und Kugelschreiber zu unterscheiden.
Ein Appell in Höchstform
Liebe Bewohnerinnen und Bewohner:
Wenn jemand klingelt und sagt, er sei von den Stadtwerken – fragen Sie sich bitte Folgendes:
- Warum sieht der „Stadtwerker“ aus, als würde er gleich zur Modeparty gehen?
- Warum trägt er Ausweise, die aussehen wie selbstgebastelte Museumsjahreskarten?
- Warum kann er mir nicht sagen, was genau kaputt ist – obwohl angeblich alles kaputt ist?
- Und vor allem: Warum möchte er unbedingt in mein Schlafzimmer, obwohl dort weder ein Rohr noch ein Werk zu finden ist?