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„GenZ don’t cry“ – Wenn das Theater weint, weil das Publikum schon durch ist

Es beginnt in völliger Dunkelheit. Keine Bühne, keine Stühle mit Samtüberzug, kein Vorhang, der so tut, als wüsste er, wann’s losgeht. Nur ein schwarzer Raum, ein paar Stimmen, und ein Sound, der sich anfühlt, als hätte jemand das eigene Innenleben auf Surround gestellt. Willkommen bei „GenZ don’t cry“, dem Theatererlebnis, das selbst Bluetooth-Kopfhörer ins Grübeln bringt.

Wenn das Theater weint, weil das Publikum schon durch ist

Rund zehn Jugendliche aus Ahlen wagten sich in dieses akustische Paralleluniversum, das irgendwo zwischen Endzeit, Jugendangst und Spotify-Experiment rangiert. Die Fahrt zur Jungen Triennale Bochum wurde natürlich von der städtischen Koordinierungsstelle für Kulturelle Bildung organisiert – also jener geheimnisvollen Institution, die dafür sorgt, dass Kunst nicht nur im Museum verstaubt, sondern gelegentlich in die Ohren junger Menschen kriecht.

Mit an Bord: Schüler*innen aus zwei Gesamtschulen und eine Truppe aus dem Jugendtheaterprojekt der Schuhfabrik Ahlen. Also ein Ensemble zwischen „Abi bald“ und „Wer hat eigentlich die Headphones eingesteckt?“. Begleitet wurden sie von engagierten Pädagoginnen, die wahrscheinlich dachten, sie gingen ins Theater – und plötzlich mitten in einer postapokalyptischen Gefühlsstudie landeten.

Kunst mit Kopfhörern – oder: Wenn das Ohr Theater spielt

Das Stück erzählt die Geschichte von Cassandra, die um ihren toten Freund trauert und dabei auf zehn Jugendliche trifft, die ihre Ängste mit ihr teilen. Ein bisschen „Black Mirror“, ein bisschen Jugendpsychoanalyse, und alles mit einem Sounddesign, das selbst Alexa kurz zum Schweigen gebracht hätte. Denn hier vibriert nicht nur der Boden – hier wummert die Seele.

Das Sound-Dramaturgien-Kollektiv hat offenbar beschlossen, das Publikum nicht nur zuzuhören, sondern mitzuschwingen. Über Kopfhörer tauchten die Jugendlichen ein in eine Welt, in der jede Emotion Frequenz hat und jeder Gedanke Bass. Wer da nicht mitfühlt, braucht wahrscheinlich neue Batterien.

Theaterpädagogik trifft Zukunftsangst – powered by Ruhrgebiet

Auch die jungen Theaterakteur*innen aus Ahlen waren tief beeindruckt – oder zumindest verwirrt auf einem höheren ästhetischen Niveau. Schließlich stehen sie selbst kurz vor der Premiere ihres eigenen Stücks, das im Dezember in der Schuhfabrik auf die Bühne kommt. Man könnte also sagen: Kunst trifft Nachwuchs, Nachwuchs trifft Existenzkrise, und alle treffen sich in Bochum.

Natürlich ließ sich auch die Ahlener Kulturoffensive diese Gelegenheit nicht entgehen. Die zuständige Dezernentin schaute vorbei, begrüßte die Jugendlichen und tat, was Kulturdezernentinnen in solchen Momenten tun: sie lächelte verbindlich und dachte vermutlich „Bitte lass niemanden nach der Bedeutung von ‚dystopisch‘ fragen“.

Wenn keiner weint, aber alle reden

Nach der Vorstellung wurde viel diskutiert. Über Kunstvermittlung, Theaterformen, Zukunft, Klang, Angst, und darüber, ob man wirklich verstanden haben muss, was man erlebt hat, um es gut zu finden. „Manchmal war es schwer, die Geschichte zu verstehen“, hieß es aus dem Kulturbüro – was ungefähr so klingt, wie wenn jemand nach einer Kunstausstellung sagt: „Ich fand’s großartig, aber warum stand der Toaster im Kühlschrank?“

Ein Nachgespräch mit den Künstler*innen wäre schön gewesen, um herauszufinden, ob Cassandra am Ende Hoffnung, WLAN oder einfach Ruhe gefunden hat. Doch auch ohne das war klar: „GenZ don’t cry“ war keine leichte Kost. Eher so ein Theater-Cappuccino mit extra Schaum aus Zukunftsfragen.

Am Ende blieb ein Gefühl, das man nur schwer benennen kann – irgendwo zwischen „beeindruckt“, „überfordert“ und „ich brauche jetzt Pommes“. Aber genau das ist wohl das Ziel. Denn wer nach dem Theater einfach nur klatscht, hat’s nicht verstanden. Wer dagegen stumm in die Dunkelheit starrt und denkt „Wow, ich fühl mich gerade wie ein Geräusch“ – der hat wahrscheinlich gerade große Kunst erlebt.

Oder wie man in Ahlen sagen würde: GenZ don’t cry – aber sie hören verdammt gut zu.