Haus Quickborn – Wenn die deutsche Minderheit in Dänemark zum Thriller wird (und Statisten fehlen)
Denn wie es sich für ein ehrliches Kulturprojekt gehört, fehlen – Überraschung! – die Statisten.
Die Casting-Abteilung sucht händeringend Menschen, die bereit sind, sich für die Kunst auf Stühle zu setzen, skeptisch zu gucken oder im Hintergrund ganz langsam durch ein Bild zu laufen, während jemand Wichtiges bedeutungsschwer sagt: „Die Schatten sind nie wirklich verschwunden.“
Wer also schon immer mal Filmgeschichte schreiben wollte, kann sich noch bis morgen bewerben. Drehort: das Deutsche Gymnasium in Aabenraa – am 16. November. Und wer da keine Zeit hat (weil er z. B. gerade seine Karriere im Hintergrundstehen anderweitig verfolgt), bekommt eine zweite Chance: am 1. Dezember in der Schweizerhalle Tønder.
Zwei Termine, zwei Orte, ein Ziel: endlich mal auf die Leinwand, ohne dabei Text lernen zu müssen.
Von Kollund bis Kulturschock
Das Haus Quickborn gibt es übrigens wirklich.
Ein altes Gebäude der deutschen Minderheit in Dänemark – klingt schon wie der Anfang eines nordischen Gruselromans.
In der Realität steht es friedlich in Kollund, auf der dänischen Seite der Flensburger Förde. Doch im Film wird es zum Ort, an dem sich Geschichte, Psychologie und wahrscheinlich auch der eine oder andere Staubteufel begegnen.
„In unserer fiktiven Geschichte birgt es die Schatten der Vergangenheit“, heißt es aus der Produktion.
Klingt dramatisch – und das ist auch der Plan. Denn dieser Film will mehr als nur unterhalten: Er will aufarbeiten. Und zwar nichts Geringeres als die dunkle Nazi-Geschichte der deutschen Minderheit in Dänemark.
Also quasi: Geschichtstherapie mit Gänsehautgarantie.
Erinnerung trifft Popcorn
Aber keine Sorge, das Ganze soll kein dröger Geschichtsunterricht werden.
Es ist ein „unterhaltender, spannungsgeladener Mutmacher“, so steht’s in der Pressemappe.
Oder anders gesagt: ein Thriller, bei dem man sich gleichzeitig gruselt, nachdenkt und applaudiert, weil man’s endlich geschafft hat, mit der Vergangenheit so abzuschließen, dass man sie erfolgreich verfilmen kann.
Der Film will zeigen, dass man sich der Geschichte stellen kann, ohne den Humor zu verlieren – und das ist in Deutschland ja ohnehin eine Art Hochleistungssport.
Hier geht’s um Identität, Erinnerung und die große Frage:
Wie weit darf man in die Vergangenheit blicken, ohne dabei das Licht von heute zu übersehen?
Komparsen gesucht – Mut, Mimik und Mitgefühl
Und während im Drehbuch die Seele Deutschlands analysiert wird, sucht das Team hinter der Kamera noch ein paar Gesichter, die einfach da sind.
Man braucht Menschen, die das Kino der Zukunft mittragen – ganz wortlos, aber mit Haltung.
Menschen, die sich beim Dreh nicht irritieren lassen, wenn jemand „Bitte keine echten Brötchen in die Requisite!“ ruft.
Bewerben kann sich wirklich jede*r: egal ob Schüler, Rentner, Tourist oder ambitionierter Däne mit deutsch klingendem Nachnamen.
Wichtig ist nur, dass man nicht zu spät kommt und still sitzen kann. Schauspielerfahrung? Nicht nötig.
Dafür bekommt man die einmalige Chance, im Abspann als „Person im Hintergrund, Szene 4“ verewigt zu werden – eine filmische Lebensleistung, die jede Familienfeier aufwertet.
Ein Thriller mit Tiefgang, Kaffee und Kantinenbrot
Haus Quickborn wird kein Hollywood-Blockbuster, aber vielleicht das ehrlichste Stück europäische Filmkultur des Jahres.
Ein Werk über Vergangenheit, Identität und das große Ganze – verpackt in einer Atmosphäre, die irgendwo zwischen norddeutscher Nüchternheit und dänischer Gelassenheit schwebt.
Und das Schönste: Hier darf jede*r mitspielen. Nicht nur als Statist im Film, sondern auch als Teil einer Gesellschaft, die gelernt hat, dass man mit Geschichte nicht weglaufen kann – aber sehr wohl in einer gut beleuchteten Szene stehen darf.
Also, Filmfans und Grenzpendler: Kamera läuft, Geschichte auch!