Jubiläumsvortrag zur kommunalen Neugliederung im Kreis Warendorf
Was zwischen 1966 und 1975 geschah, war nichts weniger als ein politisches Großreinemachen. Aus kleinen Orten wurden größere Einheiten, aus alten Grenzen wurden neue Landkarten, und aus manchem stolzen Kreis wurde … tja, Geschichte. Besonders der Kreis Beckum lernte diese Geschichte auf die harte Tour: Auflösung. Ende. Aus. Verwaltungsstaub zu Verwaltungsstaub.
Doch wer glaubt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger damals entspannt zurückgelehnt haben, während ihre Orte neu sortiert wurden, irrt gewaltig. Die 70er-Jahre waren nicht nur die Zeit von Batikhemden und orangefarbenen Badezimmerfliesen – es war auch die Ära der kommunalen Rebellion. Bürgerinitiativen sprossen wie Unkraut im Gemeindebudget, parteipolitische Neugründungen schossen aus dem Boden, und Massendemonstrationen sorgten für Bilder, die heute vermutlich als Meme-Klassiker enden würden. In vielen Orten gab es Proteste, die man mit etwas Fantasie auch für ein Rockfestival hätte halten können – nur mit mehr Transparenten und weniger Bier.
Und genau da setzt der Vortrag an: Wie kam es eigentlich dazu, dass NRW beschloss, seine Kommunen einmal komplett durch den Reformer-Waschgang zu schicken? Wer hatte diese Idee? Und vor allem: Welche Rolle spielte der legendäre, ungreifbare, schon fast mythologische „Geist der 60er-Jahre“ dabei?
War es die Verwaltungswissenschaft, die damals einen geradezu wissenschaftlichen Drang verspürte, alles effizienter und übersichtlicher zu machen? Waren es Expertengremien, die damals schon in Konferenzräumen über Landkarten brüteten, als wären es Brettspiele? Waren es Visionäre, die modernisieren wollten, oder Realitätsverweigerer, die einfach gern Dinge neu sortierten? Oder war es vielleicht schlicht die Erkenntnis, dass man mit 500 Kleinstgemeinden und Kreisgrenzen aus dem Mittelalter nicht unbedingt in die Zukunft marschieren kann?
Der Vortrag widmet sich all dem – und natürlich den vielen lokalen Besonderheiten. Denn in fast jedem Dorf zwischen Beckum, Warendorf und Wadersloh gibt es Geschichten darüber, wie es war … oder wie es hätte kommen können, wenn sich der Gemeinderat X, die Bürgerinitiative Y oder der Stammtisch Z anders entschlossen hätte.
Die Veranstaltung bringt dabei sogar das seltene Kunststück fertig, an zwei Orten stattzufinden – quasi ein kommunalhistorischer Doppelpack:
- Mittwoch, 19. November 2025, 19 Uhr im Beckumer Dormitorium, wo einst Mönche beteten, heute jedoch Verwaltungsromantik zelebriert wird.
- Montag, 8. Dezember 2025, 18 Uhr im Großen Ausschusszimmer des Kreishauses Warendorf – dem Ort, an dem seit 50 Jahren Entscheidungen getroffen werden, bei denen Aktenordner schwerer wiegen als politische Argumente.
Der Eintritt? Frei. Kostenlos. Gratis. Genau so, wie es die kommunale Seele liebt.
Und als wäre das nicht genug Verwaltungsfeuerwerk, gibt es zusätzlich im Foyer des Kreishauses die Ausstellung „50 Jahre Kreis Warendorf“ zu sehen. Eine Zeitreise von Schreibmaschinen über Overheadprojektoren bis zur heutigen digitalen Fachsoftware, die niemand so ganz versteht. Broschüren liegen aus – gedruckt, digital und vermutlich auch in der Variante „Bitte nehmen Sie nur ein Exemplar“.
Ein Hoch auf die Vergangenheit. Und ein noch höheres auf die Tatsache, dass wir heute darüber lachen dürfen.