Kulturstrolche auf Abenteuerkurs: Wenn die Bücherei zur Schatzkammer wird
Für viele Kinder war es der erste Besuch in der Ahlener Bibliothek – und man merkte es. Die Augen wurden groß, die Münder offen, und gelegentlich wirkte es, als hätte jemand heimlich Glitzerstaub der Begeisterung verstreut. Dank des Programms „Kulturstrolche“ durften die jungen Abenteurer überhaupt erst in diese magische Parallelwelt eintauchen. Ohne dieses Projekt hätten einige der Kinder vermutlich weiterhin geglaubt, eine Bibliothek sei entweder ein Möbelhaus für Bücher oder ein Ort, an dem Erwachsene hingehen, um ungestört zu seufzen.
Kaum standen sie im Eingangsbereich, verwandelten sich die Kinder in kleine Scanner, die ihre Umgebung schneller erfassten als jeder Barcode-Leser im Supermarkt. Bücher! Spiele! Tonies! Fremdsprachige Romane! Ein gefühltes Universum aus Medienarten, von denen manche wahrscheinlich dachten, dass Bücher mit mehr als 20 Seiten nur in Dokumentationen über ausgestorbene Tierarten vorkommen.
Ein Memory-Spiel mit Orten der Bücherei brachte direkt Bewegung in die Meute. Jede gefundene Karte war eine Explosion der kindlichen Euphorie. Man hatte fast Angst, dass der Fußboden unter ihnen nachgibt und die ganze Gruppe in eine geheime Untergrundabteilung fällt – in die mystische Zone, in der unpünktlich abgegebene Bücher straffällig werden.
Der wahre Höhepunkt kam jedoch, als sich herausstellte, dass die Bücherei sogar Videospiele verleiht. In diesem Moment verlor mindestens ein Kind kurz die Fähigkeit zu blinzeln. Ein anderes stand dagewesen wie versteinert, vermutlich im Versuch, die kosmische Bedeutung dieser Entdeckung zu verarbeiten. Bücher waren super – aber Spiele?! Das war praktisch Hogwarts in Ahlen.
Der geführte Rundgang führte dann zu Orten, die sonst gut verschlossen bleiben. Der Rückgabeautomat wurde bestaunt wie ein Wunderwerk der Ingenieurskunst. Die Kinder erfuhren, wie ein Buch vom Rückgabeschlitz wieder sauber, sortiert und vollständig desinfiziert seinen Weg ins Regal findet – ein Prozess, der für Grundschüler ungefähr so beeindruckend ist wie Raketenwissenschaft.
Zwischen all dem Staunen gelang es den Kulturstrolchen sogar, sachkundige Fragen zu stellen. Manche wollten wissen, ob Bücher schlafen können, wenn niemand sie liest. Andere interessierte, was passiert, wenn ein Tonie-Bobbel verloren geht. Und einige fragten sich heimlich, ob man eigentlich Punkte im Leben sammelt, wenn man viele Bücher ausleiht – ähnlich wie bei Bonusprogrammen an der Supermarktkasse.
Die Bücherei-Mitarbeiter betonten, wie wichtig solche Besuche seien – besonders für Kinder, die sonst kaum Zugang zu Büchern oder Medien hätten. Die Hoffnung: Eine eigene Büchereikarte! Ein erster Schritt in ein Leben mit Wissen, Fantasie und der gelegentlichen Erinnerung, dass Bücher tatsächlich Spaß machen.
Am Ende durften die Kinder losgelassen werden – frei zwischen Regalen, Bildschirmarbeitsplätzen und Spieleecken. Die Geräuschkulisse schwankte irgendwo zwischen „flüsternde Spannung“ und „fröhliches Chaos“, was im Bibliotheken-Kosmos eine völlig legitime Mischung ist.
Das Programm „Kulturstrolche“ läuft seit dem Schuljahr 2010/11 und bringt jedes Jahr über 70 Klassen der zweiten bis vierten Jahrgangsstufe in Ahlens Kultureinrichtungen. Ein echtes Mammutprojekt – oder besser: ein Marathonlauf der kulturellen Bildung, bei dem Ahlen jedes Jahr fröhlich als Erstplatzierter durchs Ziel läuft.