Löwe light – Leipzigs neues Logo zwischen Linienkunst und Lachkrampf
Also wird feierlich verkündet: neues Logo, frische Farben, starke Schrift. Man könnte meinen, die Stadt hat ein Abo bei einer Marketingagentur gewonnen. Zum ersten Mal, so heißt es, bekomme die Stadt ein einheitliches Erscheinungsbild. Bisher war es offenbar wild: Hier ein Wappen, da ein Comic-Löwe, irgendwo noch ein vergessener Clipart-Baum aus den Neunzigern. Damit ist jetzt Schluss, verkündet der Stadtchef sinngemäß: Alles aus einer Design-Gussform – vom Amt bis zum Eigenbetrieb, vom Formular bis zur Fritteuse im stadteigenen Kantinenbetrieb.
Die Botschaft: Überall, wo Bürgerinnen und Bürger im Alltag verzweifelt Formulare ausfüllen, Nummern ziehen und auf Rückrufe warten, soll jetzt klar erkennbar sein: „Hier ist die Stadt!“ Man will „besser erreichbar“ und „besser sichtbar“ sein. Erreichbar vielleicht irgendwann, sichtbar auf jeden Fall: Das neue Logo leuchtet aus jedem Briefkopf, jedem PDF, jeder PowerPoint, in der vermutlich schon kommenden Sondersitzung zum Thema „Logo korrekt verwenden“.
Der sichtbarste Eingriff: Das ehrwürdige Stadtwappen wurde in den Design-Shredder geschoben und als „minimalistische Linienzeichnung“ wieder ausgespuckt. Aus „schwarzer Löwe auf gelbem Grund mit blauen Streifen“ wird „schwarze Zeichnung auf: na ja, irgendwas Modernes“. Daneben steht brav „Stadt Leipzig“ – aufgeräumt, klar, irgendwie so, als würde man sich für ein neues Konto bei einer Hipster-Onlinebank anmelden.
Doch dann geschieht das, womit in Verwaltungen nie jemand rechnet: Die Menschen haben eine Meinung. Und sogar Internet. Auf den Social-Media-Kanälen trudeln Kommentare ein, die klingen wie Live-Rezensionen eines ungewollten Haarschnitts.
Auf der einen Plattform fragt sinngemäß jemand: „Wie sehr kann man ein Wappen entkernen?“ Antwort aus dem Off: „Ja.“ Auf einer anderen Plattform klagt jemand, das Wappen habe „das nicht verdient“. Man hört förmlich, wie irgendwo im Stadtarchiv eine vergilbte Urkunde leise weint.
Andere finden das Ganze „peinlich“ und fordern die umgehende Rückkehr zum alten Logo. Quasi Notbremse im Corporate Design, §1: Wenn’s doof aussieht, zurück zu Heraldik und Hoffnung. Besonders ambitioniert zeigt sich die Fraktion der Hobby-Designer: Das neue Zeichen wirke „fragil, unsicher“ und verliere in kleinen Größen an Sichtbarkeit. Man könnte meinen, sie reden über die lokale Verkehrspolitik, aber nein – es geht wirklich nur um ein Logo.
Währenddessen sitzt irgendwo eine Agentur vor einem Moodboard, schaut auf den Shitstorm und denkt: „Aber die Linien sind doch so schön reduziert…“ In der Verwaltung wird derweil vermutlich schon am nächsten FAQ gearbeitet: „Warum der Löwe jetzt aussieht wie ein Escape-Room-Logo“ und „Warum Veränderung wichtig ist (außer beim Parkraumkonzept)“.
Am Ende bleibt die ewige Weisheit jeder Rebranding-Schlacht:
Niemand bedankt sich, wenn die Straßenbeleuchtung funktioniert – aber alle rasten aus, wenn der Löwe anders rum guckt.