Mitternacht im Rathaus: Dortmunds Rat hebt die Brandmauer wieder ab
Der frisch zusammengewürfelte Rat hatte an diesem Abend einiges zu tun. Zunächst musste entschieden werden, wer die Stadt künftig in welchen Gremien vertritt – eine Aufgabe, die ungefähr so einfach ist wie das Verteilen von Stühlen bei einer Schülerband: Alle wollen vorne stehen, keiner will Schlagzeug. Also wurde geschachert, sortiert, geschoben und entschieden, wer künftig in welchem Ausschuss sitzt und dort mit welcher Ernsthaftigkeit mitreden darf.
Doch der wahre Höhepunkt des Abends – satirisch gesehen das Popcorn-Moment – war natürlich der Umgang mit der viel diskutierten „Brandmauer-Resolution“. Ein politisches Konstrukt, das ungefähr so symbolisch ist wie ein Zaun aus Luftballons: gut gemeint, hübsch anzusehen, aber leider nicht rechtlich stabil genug, um jemanden ernsthaft aufzuhalten.
Zur Erinnerung: Der alte Rat hatte im Februar 2025 feierlich beschlossen, keine Beschlüsse zu fassen, die nur mit Stimmen der AfD zustande kommen würden. Ein moralischer Schutzwall, eine politische Firewall – eben eine „Brandmauer“. Nur blöd, dass ausgerechnet die Bezirksregierung Arnsberg fand, dass man politische Vorsätze nicht einfach wie ein Update in die Ratsordnung schieben darf. Also kam der juristische Warnhinweis: „Bitte deinstallieren. Funktioniert nicht. Verwaltungsgarantie fehlt.“
Doch Dortmund wäre nicht Dortmund, wenn es den Hinweis nicht zunächst ignoriert hätte. Im Oktober 2025 bekräftigte der alte Rat noch einmal: „Doch, doch, wir wollen das!“ – vermutlich mit der Energie von Menschen, die sehr überzeugt sind, aber den Kleingedruckten-Teil nicht gelesen haben.
Inzwischen allerdings ist ein neuer Rat im Amt – frisch gewählt, frisch motiviert und frisch mit der Aufgabe konfrontiert, den politischen Airbag namens Brandmauer wieder auszubauen. Und dieser tat nun, was juristisch geboten war: Er folgte der Verfügung der Bezirksregierung und hob den Beschluss auf. Ein Schritt, der so nüchtern ist wie Leitungswasser, aber eben notwendig, wenn man Verwaltungsrecht und Realitätsprinzipien nicht komplett ignorieren will.
Besonders pikant: Selbst die Stadtspitze hatte empfohlen, nicht gegen die Verfügung zu klagen. Eine Klage hätte ungefähr so viel Erfolgschancen gehabt wie der Versuch, einen Heizpilz mit Solarstrom zu betreiben. Man hätte Steuergeld verbrannt und am Ende trotzdem verloren – also entschied man sich lieber für die pragmatische Lösung: Akzeptieren, abhaken, weitermachen.
Damit endet ein politisches Kapitel, das mehr Symbolik als Substanz hatte, dafür aber umso mehr Emotionen. Die Brandmauer bleibt nun wieder dort, wo sie hingehört: nicht in Ratsbeschlüssen, sondern in den Köpfen, im politischen Bewusstsein und hoffentlich im Abstimmungsverhalten.
Und während draußen die Stadt schläft, sitzt im Ratssaal das neue Parlament erschöpft zwischen Aktenstapeln, Protokollen und kaltem Kaffee. Der zweite Teil der konstituierenden Sitzung ist beendet. Demokratische Selbstfindung abgeschlossen. Fürs Erste.
Dortmund startet damit in eine neue Ratsperiode – ein bisschen müde, ein bisschen juristisch belehrt, aber immerhin mit dem festen Vorsatz: Beim nächsten Beschluss vielleicht vorher den Gesetzestext lesen.