Münster plant sich schön – oder: Wenn Nachverdichtung zur neuen Religion wird
Was das bedeutet? Ganz einfach: Noch ein paar Häuser dazwischen, wo man dachte, es passt nichts mehr. Denn wo heute ein Parkplatz, ein Baum oder ein Rest Tageslicht zu sehen ist, könnte morgen schon ein „Urbanes Gebiet“ nach § 6a BauNVO (Baunutzungsverordnung für Fortgeschrittene) entstehen. Klingt aufregend, ist aber Verwaltungsdeutsch für: „Hier darf unten gearbeitet und oben gewohnt werden – solange keiner lacht oder lärmt.“
Das urbane Wunder von Hiltrup
In der ersten Reihe zur Westfalenstraße – gegenüber dem Hallenbad, wo man heute noch frei atmen kann – soll künftig also das Leben toben: unten Gewerbe, oben Wohnen, dazwischen das deutsche Ideal von städtebaulicher Verträglichkeit. Denn verträglich muss es sein, sonst kommt der Bauausschuss mit Bauchweh.
Natürlich nicht zu viel Gewerbe, das wäre ja gefährlich. Deswegen werden sogenannte „zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente“ ausgeschlossen. Wer also in Hiltrup plötzlich die Idee hat, dort ein Mini-Einkaufszentrum oder gar einen Bäcker aufzumachen – sorry, der Flächennutzungsplan sagt: „Back dich woanders!“
Im hinteren Bereich des Plangebiets, da wo die Sonne nur noch aus zweiter Hand scheint, soll ein „Allgemeines Wohngebiet“ entstehen – zweigeschossig, offen bebaut, freundlich, ordentlich, westfälisch. Also so, dass es sich „maßvoll in die bauliche Umgebung einfügt“. Kein Hochhaus, kein Chaos, keine Überraschung. Münster bleibt Münster – selbst beim Nachverdichten ist der Stil: ordentlich, angepasst, genehmigt.
Die Flächennutzungsplan-Oper, 140. Akt
Parallel dazu läuft – man glaubt es kaum – die 140. Änderung des Flächennutzungsplans. Ja, der 140. Teil! Münster ist also quasi das Marvel Cinematic Universe der Bauleitplanung. Jeder Plan ist ein neues Sequel, jede Änderung ein Spin-off, und irgendwo dazwischen sitzt der Stadtplaner mit Kaffeebecher und denkt sich: „Wie nennen wir die nächste?“
Das Ganze läuft selbstverständlich im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung. Bürgerinnen und Bürger dürfen zwischen dem 20. Oktober und dem 20. November die Vorentwürfe einsehen – online oder, für alle Nostalgiker, im Kundenzentrum Planen und Bauen im Stadthaus 3. Montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr, freitags bis 13 Uhr. Danach ist Planungspause, weil Verwaltung auch mal Mittag braucht.
Und natürlich dürfen Stellungnahmen abgegeben werden! Ganz modern, ganz demokratisch. Ob sie was ändern, ist eine andere Frage, aber immerhin: Wer will, kann seine Meinung in Paragrafenform einreichen. Münster nennt das „Bürgerbeteiligung“, andere würden sagen: „Mitreden auf Papierbasis.“
Zwischen Hallenbad und Hochglanzbroschüre
Am Ende entsteht vielleicht das, was jede Stadt sich wünscht: ein „Urbanes Gebiet“ mit Flair, in dem Latte-Macchiato-Eltern im Erdgeschoss Biobrötchen kaufen und oben drüber Homeoffice machen – alles streng nach Plan.
Denn Münster denkt voraus: Wohnen, wo man arbeitet, und arbeiten, wo man wohnt – aber bitte so leise, dass die Nachbarn keinen Antrag auf Lärmschutz stellen.
Mit dem Bebauungsplan Nr. 647 wird Hiltrup ein Stückchen urbaner, dichter und – ja – vermutlich auch ein bisschen teurer. Aber das Ziel ist edel: Wohnraum schaffen, Ordnung bewahren und gleichzeitig so tun, als sei alles ein großes architektonisches Miteinander.
Zwischen Aktenstapel und Asphalt entsteht also das, was Münster am besten kann: Bauen mit Gefühl. Ein bisschen Bürokratie, ein bisschen Baukunst, und ganz viel Paragrafenpoesie.
Oder, um es im banahlen Stil zu sagen:
Hiltrup verdichtet sich – und Münster zeigt mal wieder, dass man selbst aus einem Quadratmeter Platz noch zwei machen kann.