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Münster-Südost im Straßen-Remake: Wenn der Lüderitzweg und der Woermannweg Geschichte machen – im besten Sinne

In Münster-Südost steht ein Ereignis bevor, das jede Navi-App nervös zittern lässt: Die Bezirksvertretung entscheidet am Dienstag, 9. Dezember darüber, ob der Lüderitzweg und der Woermannweg umbenannt werden sollen. Oder anders gesagt: Zwei Straßen stehen kurz davor, ihren jahrzehntelangen Identitätskrisen endlich ein Ende zu setzen.

Münster-Südost im Straßen-Remake

Denn wer möchte schon freiwillig nach zwei historischen Figuren benannt sein, deren Lebenswerk man heute ungefähr so begeistert feiert wie feuchten Toast?

 

Wenn Geschichte schlechte PR macht

Zwischen 2020 und 2025 trudelten bei der Stadt mehrere Anträge ein – allesamt nach § 24 Gemeindeordnung NRW, also dem offiziellen „Ich-bitte-mal-eben-um-Veränderung“-Paragrafen.
Die Begründungen der Antragstellenden lesen sich wie eine Mischung aus Geschichtsunterricht und Schadensbericht:

  • Die beiden Namensgeber waren Kolonialherren mit Weltanschauungen, die man heute ungefähr so dringend braucht wie ein weiteres Kapitel „Peinliche Momente der Menschheit“.
  • Beide Wege erhielten ihre Namen in der Zeit des Nationalsozialismus – was ungefähr so wirkt wie ein Denkmalschutzantrag für ein altes Faxgerät: historisch ja, aber bitte nicht behalten.

Die Stadtverwaltung hat auf Grundlage der Leitlinien für Ehrungen im öffentlichen Raum, beschlossen im September 2024, eine Stellungnahme abgegeben. Und diese liest sich eindeutig:
Ja, diese Namen dürfen weg.

Warum?
Weil die Benennung damals propagandistischen Zwecken diente – und weil beide Namensgeber auf der kolonialen Schattenseite der Geschichte unterwegs waren.
Unter anderem stehen ihre Handlungen im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908.
Kurz gesagt: Das Gegenteil von Münster-Imagebroschüren-tauglich.

 

Straßen, die lieber nicht mehr mitreden wollen

In den Leitlinien der Stadt ist klar festgelegt:

  • Eine Straße darf umbenannt werden, wenn sie Personen ehrt, die Menschenrechte missachteten,
  • an unmenschlichen Taten beteiligt waren oder
  • Werte verkörperten, die dem Ansehen der Stadt schaden.

Die Verwaltung hat alle Kästchen abgehakt – vermutlich mit dickem, rotem Marker – und empfiehlt eine Umbenennung.
Kurz: Die Voraussetzungen sind gegeben.
Noch kürzer: Bitte einmal neue Schilder, danke.

 

Münster bekennt Farbe – und zwar nicht kolonialgrau

Der Rat der Stadt hatte sich bereits 2023 sehr deutlich zur Verantwortung für koloniales Unrecht bekannt – inklusive Gedenkakt.
Der Geist der damaligen Veranstaltung kann in etwa so zusammengefasst werden:

„Wir wissen, was war. Und wir machen es besser – mit Blick auf die Zukunft, aber ohne die Vergangenheit auszublenden.“

Ein Satz, der so weitsichtig klingt, dass man ihn glatt auf eine Tasse drucken möchte.

 

Demokratie zum Mitmachen: So lief die Bürgerbeteiligung

Bevor die Bezirksvertretung nun entscheidet, durfte die Stadtgesellschaft mitreden – und Münster wäre nicht Münster, wenn das nicht in Form eines Hörsaals, eines Online-Portals und vermutlich einer sehr engagierten E-Mail-Kommentarspalte stattgefunden hätte.

Im März lud die Stadt zur Informationsveranstaltung ein. Über 50 Bürgerinnen und Bürger kamen, hörten zu, diskutierten und stellten die Frage aller Fragen:

„Wie soll die Straße denn künftig heißen?“

Die Online-Beteiligung lief parallel und wurde ebenso begeistert genutzt wie ein Parkplatz am Samstagmorgen.

Das Ergebnis:
Die Bevölkerung war ungefähr fifty-fifty geteilter Meinung.
Die eine Hälfte sagte: „Ja, bitte umbenennen!“
Die andere Hälfte sagte: „Nein, bitte nicht!“
Eine perfekte demokratische Pattsituation – oder wie man in Münster sagt: „Der übliche Dienstag.“

 

Die Entscheidung naht

Nun liegt alles in der Hand der Bezirksvertretung Münster-Südost.
Am 9. Dezember wird entschieden – vermutlich mit ernsten Gesichtern, viel Papier und der stillen Hoffnung, dass am Ende niemand versucht, den Weg in „Straße des Einvernehmens“ umzubenennen.

Eines ist aber klar:

Egal wie die Entscheidung ausfällt, Münster zeigt Verantwortung, Haltung und Humor.
Denn eine Stadt, die bereit ist, ihre Straßennamen kritisch zu betrachten, beweist, dass Erinnerungskultur nicht im Museum stattfindet – sondern mitten im Alltag, zwischen Pflastersteinen und Straßenschildern.