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Nacht der langen Zahlen: Wie ein Bundeshaushalt wach blieb, während alle anderen einschliefen

Es gibt Nächte, die fühlen sich an wie ein ausgedehnter Wellnessurlaub: leise Musik, beruhigende Düfte, friedliche Stille.

Und dann gibt es Nächte, in denen sich ein Ausschuss des Bundestags trifft, um den Bundeshaushalt zu beschließen – und die sich ungefähr so entspannend anfühlen wie eine Steuererklärung auf einem Jahrmarkt.

Nacht der langen Zahlen: Wie ein Bundeshaushalt wach blieb, während alle anderen einschliefen

In dieser ganz besonderen Sitzung, die gefühlt vom Sonnenuntergang bis zum nächsten Sonnenaufgang dauerte, wurde schließlich der Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. Rund 524,5 Milliarden Euro – eine Zahl, so groß, dass vermutlich sogar Taschenrechner kurz weinerlich wurden.

Der Moment, in dem der Vorsitz verkündete, dass der Haushalt steht, muss ungefähr so geklungen haben wie das Finale eines Marathonlaufs: erschöpfte Jubelschreie, vereinzelte Applausversuche, und irgendwo im Hintergrund jemand, der nervös eine Kaffeetasse nachfüllt, weil er jetzt erst richtig wach wird.

Natürlich kommt der Haushalt nicht ohne Schulden aus.
Fast 98 Milliarden Euro neue Kredite wurden genehmigt – nur 8 Milliarden mehr als im ersten Entwurf. Eine kleine Runde Aufrunden schadet ja nie. Wenn’s schon teuer wird, dann wenigstens mit einem ordentlichen Ploppen der Zahl auf dem Papier.

Doch damit nicht genug: Es gibt noch Sondertöpfe.
Und wenn die Politik eines liebt, dann sind es Sondertöpfe.
Sondertöpfe für die Infrastruktur, Sondertöpfe für die Bundeswehr, Sondertöpfe für alles, was irgendetwas optimieren, reparieren oder ersetzen muss. Manche Menschen sammeln Briefmarken – Regierungen sammeln Kreditlinien.

Rechnet man alles zusammen, kratzt der Schuldenstand gemütlich an der Marke von über 180 Milliarden Euro. Eine Summe, die so hoch ist, dass selbst Menschen, die sonst nur bei Sportergebnissen aufsteigen, kurz Schnappatmung bekommen.

Und während draußen in Berlin die ersten Vögel zwitscherten und joggende Frühaufsteher irritiert in die erleuchteten Fenster des Bundestages blickten, stand der Ausschuss noch immer über Zahlen, Tabellen und Haushaltspositionen gebeugt. Es war vermutlich die einzige Gruppe Menschen in Deutschland, die zu diesem Zeitpunkt nicht schlief – und das lag nicht unbedingt an der Begeisterung für Finanzpolitik, sondern eher an der Überdosis Kaffee.

Wer jemals einer nächtlichen Haushaltsdebatte beigewohnt hat, weiß: Irgendwann beginnt alles verschwommen auszusehen. Die Zahlen zeigen plötzlich Persönlichkeitsmerkmale. Paragrafen wirken wie alte Freunde, die man lange nicht gesehen hat. Und irgendwann gibt es immer diesen einen Moment, in dem jemand flüstert: „Sind wir hier eigentlich noch bei Milliarden oder schon bei Fantasiezahlen?“ – und niemand kann es spontan sicher beantworten.

Doch die Arbeit wurde erledigt.
Der Haushalt steht.
Die Schulden stehen auch.
Und die Müdigkeit steht wahrscheinlich noch tagelang in den Gesichtern der Beteiligten.

Am Ende des Monats soll dann der Bundestag endgültig abstimmen. Ein formaler Akt, bei dem niemand überrascht sein dürfte, wenn manche Abgeordnete innerlich beten, dass sie dann nicht wieder bis 5 Uhr morgens bleiben müssen. Immerhin ist ein Haushalt, der fast eine halbe Billion umfasst, schwer genug – da muss man ihn nicht noch halb im Tiefschlaf beschließen.

Aber so ist Politik:
Manchmal laut, manchmal leise, oft komplex, oft teuer.
Und manchmal dauert sie eben die ganze Nacht, weil die Milliarden sich nicht von selbst addieren.
Ob sich die Arbeit gelohnt hat, zeigt sich später – spätestens dann, wenn der nächste Haushalt auf der Matte steht und sagt: „Hallo! Ich hätte da wieder ein paar Wünsche …“