Nacht-OP im Oestricher Holt: Die Brücke bekommt ihr Dezember-Makeover
Und genau deshalb darf sich die Brücke jetzt über eine kleine Nachtschicht-Behandlung freuen. Ja, richtig gehört: Man hat beschlossen, die Reparaturen in der Nacht durchzuführen. Einerseits, weil tagsüber Züge fahren und das sonst etwas unpraktisch wäre. Andererseits, weil Bauarbeiten im Dunkeln automatisch zehn Prozent epischer wirken. Das ist Gesetz – irgendwo zwischen Straßenverkehrsordnung und universellen Netflix-Empfehlungsalgorithmen.
Damit die Brücke nicht während der Stoßzeiten in Tränen ausbricht oder ein Stahlträger sich spontan entscheidet, Urlaub zu nehmen, wird’s ernst – aber eben erst nach 22:30 Uhr. Zu dieser Zeit schlafen nicht nur die Anwohner, sondern auch alle, die sich sonst beschweren könnten. Clever!
Der Plan: chirurgische Präzision, aber mit Baustellenromantik.
Vom 1. auf den 2. Dezember und noch einmal vom 4. auf den 5. Dezember wird das legendäre Bauwerk jeweils von 22:30 Uhr bis längstens 6:00 Uhr morgens gesperrt. „Längstens“ bedeutet in Ahlen übrigens: „Wenn alles klappt, früher. Wenn nichts klappt, Kaffee.“ Die Brücke nimmt’s gelassen – sie kennt ihre Menschen.
Wie sieht das dann aus?
Nachts, wenn alle vernünftigen Leute schlafen, verwandelt sich der Bereich hinter der Kaserne in ein urbanes Open-Air-Theater: Funken sprühen, Baustellenlampen casten ihr gelbliches Scheinwerferlicht auf die Darsteller, und die akustische Untermalung besteht aus einer Mischung aus Flexgeräuschen, leichten Flüchen und dem leisen Pochen von Metall, das seit Monaten darauf gewartet hat, endlich ernst genommen zu werden.
Es ist ein Schauspiel, das nicht viele sehen werden – und wenn wir ehrlich sind, ist das vielleicht auch besser so. Die meisten Bürgerinnen und Bürger werden am nächsten Morgen verschlafen aus der Tür stolpern, einen Kaffee inhalieren und feststellen: „Oh, sieht ja aus, als wäre hier irgendwas gewesen.“ Genau so soll’s sein. Unsichtbare Helden arbeiten, während andere schlafen – poetisch wie ein Weihnachtsmärchen, aber mit viel mehr Staub.
Für alle, die die Brücke nachts nutzen wollten:
Herzlichen Glückwunsch, Sie gehören zu einer außerordentlich exklusiven Zielgruppe. Die Stadt empfiehlt, Ihre Pläne minimal anzupassen. Vielleicht einfach vorher oder nachher losfahren. Oder gar nicht. Der Dezember ist dunkel genug, man muss nicht zwingend nachts hinter die Kaserne.
Dafür gibt’s am Morgen etwas Schönes: eine frisch reparierte Überführung, die vielleicht zehn Prozent weniger quietscht, fünf Prozent weniger knarzt und insgesamt ein Gefühl vermittelt wie: „Ja, ich wurde ernst genommen.“
Kurzum:
Die Stadt repariert, die Bahn fährt, die Brücke erholt sich – und Ahlen wird ein klein wenig stabiler. Zumindest für die nächsten Jahre. Oder bis jemand feststellt, dass man noch eine Schraube vergessen hat. Aber das gehört zur Tradition.