Nottuln im Windrausch – Flugblätter, Vorbescheide und der Tanz der Rotoren
Die Ausgangslage:
Deutschland will die Energiewende. Das klingt nach Sonnenkollektoren auf jedem Dach und Windrädern, die im Abendrot majestätisch ihre Flügel schwingen. In der Realität sieht es eher so aus: Der Kreis Coesfeld schreibt trockene Stellungnahmen, während Bürger mit Flyern durch die Straßen ziehen, auf denen 266 Meter hohe Horror-Turbinen wie Godzilla an der Grundstücksgrenze abgebildet sind.
Das große Missverständnis:
Die Wahrheit ist viel weniger spektakulär. Es gibt keine Genehmigungen, keine fertigen Windräder, nur etwas, das sich „vereinfachter Vorbescheid“ nennt. Klingt wie die Light-Version von Bürokratie, quasi die Cola Zero unter den Verwaltungsakten. Damit wurde geprüft: Darf hier theoretisch überhaupt ein Windrad stehen oder wächst da vielleicht zufällig ein Naturschutzgebiet? Ergebnis: Ja, es darf – jedenfalls solange kein Rotmilan im Tiefflug Selfies macht.
Die juristische Zauberformel:
Alles lief nach § 9 Abs. 1a BImSchG. Ein Paragraf so sexy wie eine nasse Papiertüte, aber immerhin rechtlich bindend. Und weil die Gemeinde Nottuln ihren Flächennutzungsplan vorher aufgehoben hatte, stand die Verwaltung wie beim Monopoly-Spiel: Feld frei, bitte bauen Sie! Ein „Warten auf bessere Gesetze“ ist nämlich laut Juristen ungefähr so erlaubt wie bei Rot über die Ampel fahren, weil man denkt, Grün stehe einem heute besser.
Die Politik am Windrad:
In den Flugblättern wurde der Landrat persönlich als Windrad-Hobbybauer dargestellt, quasi als heimlicher Betreiber einer 266-Meter-Gigaturbine direkt neben dem Reihenhaus. Er selbst dementiert: Kein Cent, keine Schraube, nicht mal ein rostiger Inbusschlüssel. Er habe die Dinger nicht bestellt, er habe nur unterschrieben, weil das Gesetz sagt: „Musst du.“ Willkommen in der wunderbaren Welt der Verwaltungslogik: Schuld hat am Ende immer derjenige, der die Aktenmappe trägt.
Die Bürger zwischen Panik und Pragmatismus:
Während die einen den Weltuntergang wittern („Bald sitzen wir im Schatten der Rotorblätter, die uns den Kaffee aus der Tasse pusten!“), träumen die anderen von klimaneutraler Romantik („Stell dir vor, wir liegen abends auf der Terrasse und hören statt Autobahnrauschen das beruhigende Wusch-Wusch der Flügel.“).
Die Realität:
Bislang existiert gar nichts – keine Genehmigungen, keine Fundamente, nicht mal Bauarbeiter mit Warnwesten. Alles steht noch auf der langen To-do-Liste des deutschen Verwaltungsapparats, gleich hinter „Digitalisierung“ und „Glasfaser bis ins Dorf“.
Die Energiewende ist in Nottuln angekommen – allerdings vorerst nur auf Papier und Flugblättern. Statt Windrädern drehen sich aktuell nur die Köpfe im Kreis. Die einen sehen darin die große Zukunft, die anderen den großen Untergang. Am Ende bleibt nur die Erkenntnis: In Deutschland wird das Klima nicht zuerst durch CO₂ erhitzt, sondern durch Debatten, Paragrafen und Faltblätter im Briefkasten.