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Tanzverbot und Trauerkaffee – NRW erklärt die November-Melancholie zur Staatsdisziplin

November in Nordrhein-Westfalen – der Monat, in dem selbst das Wetter beschlossen hat, mal kurz innezuhalten und kollektiv traurig zu sein. Zwischen Nebel, Nieselregen und nassen Blättern auf dem Bürgersteig kommt er wieder, der heilige Dreiklang der staatlich verordneten Nachdenklichkeit: Allerheiligen, Volkstrauertag und Totensonntag. Drei Tage, die beweisen, dass Deutschland sogar beim Trauern Ordnung liebt – mit Uhrzeiten, Paragrafen und klar definierten „Emotionale-Belastbarkeit-für-Anfänger“-Regeln.

Tanzverbot und Trauerkaffee – NRW erklärt die November-Melancholie zur Staatsdisziplin

Diese sogenannten „stillen Feiertage“ sind – Überraschung! – gesetzlich geschützt. Also quasi die VIP-Lounge des Kalenders: Zugang nur für gedämpfte Stimmen, langsame Schritte und dezente Gesichtsfarben zwischen Grau und Beige. NRW hat sich dabei nicht lumpen lassen und legt genau fest, wann Spaß offiziell verboten ist.

Volkstrauertag: Von 5 bis 13 Uhr ist hier Schluss mit lustig. Wer also morgens um acht spontan eine Polonaise durch den Supermarkt starten möchte, sollte lieber warten, bis die Uhr Mittag schlägt. Danach darf man wieder einkaufen, solange man dabei wenigstens so guckt, als wäre man auf dem Weg zu einer Beerdigung.

Allerheiligen und Totensonntag: Hier ist der Staat besonders streng – von 5 bis 18 Uhr gilt das große „Schweig, Mensch!“-Gebot. Märkte, Sportveranstaltungen, Volksfeste? Alles tabu. Selbst Spielhallen müssen ihre Automaten ausschalten, damit der Geist der Besinnung nicht von „Jackpot! Jackpot!“ gestört wird. Und wer dachte, Wetten seien noch erlaubt, darf sich enttäuscht die Hände falten und auf den nächsten Montag hoffen.

Aber das ist noch nicht alles: Auch Musik, Tanz und jede Form von Unterhaltung in Gaststätten sind untersagt. Der DJ darf höchstens leise in die Suppe pusten, und die Kellnerin muss bei jeder ausgelassenen Bestellung streng gucken. Statt Party heißt es also: „Leise weinen bei stiller Cola.“

Natürlich hat das Ganze einen tieferen Sinn – angeblich. Man soll innehalten, reflektieren, gedenken. Doch in der Praxis sieht es meist so aus: Die einen vergessen, welcher Tag heute ist, und wundern sich, warum der Sportverein plötzlich abgesagt wurde. Die anderen entdecken ihre rebellische Ader und drehen das Radio auf volle Lautstärke – bis der Nachbar von nebenan drohend durchs Fenster schaut und an §6 des Feiertagsgesetzes erinnert.

So wird aus einem normalen Wochenende ein psychologischer Balanceakt: Zwischen Bußgefühl und Bock auf Burger-King-Musikbox. Und wenn man dann am Sonntagabend endlich wieder lachen darf, fühlt sich das Leben plötzlich ein bisschen leichter an – als hätte man die Novemberprüfung des Anstands bestanden.

NRW bleibt also seiner Linie treu: Für jede Lebenslage ein Formular, für jede Emotion eine Uhrzeit. Und so tanzen wir nicht – wir denken uns den Tanz. Still. Gesetzestreu. Und mit leichtem Kopfnicken zur inneren Melancholie.