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Theater auf Englisch: Wenn 300 Schüler plötzlich zuhören – ein kleines Schulwunder

An der altehrwürdigen Gesamtschule mit dem Namen, der klingt wie eine Mischung aus Kloster, Ritterorden und regionalem Milchprodukt, herrschte zuletzt Ausnahmezustand. Nein, keine Mathearbeit, kein Feueralarm aufgrund eines wieder einmal explodierten Toasters im Lehrerzimmer – sondern echtes, richtiges, handfestes englisches Theater. Und das nicht von irgendwelchen Hobbydramaturgen, die im Keller des Jugendzentrums auftreten, sondern von einer renommierten Truppe, die normalerweise dafür sorgt, dass Schüler Europas kollektiv den Satz „Can you repeat that, please?“ perfektionieren.

Theater auf Englisch

Das Tourneetheater aus Soest – internationaler Glamour mit westfälischem Fundament – hatte sich angekündigt und brachte ein Stück mit, das gleichzeitig bewegt, erzieht und garantiert jede Klassenfahrt zum Schweigen bringt: „Sticks and Stones“, eine Inszenierung über Mobbing. Ein Thema also, das an Schulen etwa so ständig präsent ist wie die Frage, ob jemand weiß, wann der Bus kommt.

Rund 300 Schülerinnen und Schüler strömten in die Aula, ausgestattet mit Englischkenntnissen, die irgendwo zwischen „basic“ und „Ich kenne 27 unnütze Vokabeln aus meinem Lieblingsvideospiel“ rangieren. Die Bühne erleuchtet, der Vorhang geht auf – und plötzlich verwandelt sich die Gesamtschule in ein britisches Minidrama. Die vier Schauspielerinnen und Schauspieler sind Native Speaker, was bedeutet: Man versteht sie erstaunlich gut, bis sie einen Satz beginnen, der aus mehr als zwölf Wörtern besteht.

Doch die jungen Bühnenprofis schafften, was selbst der beste Englischlehrer nur mit pädagogischer Feenmagie hinbekommt: Die Jugendlichen hörten zu. Wirklich. Mit Aufmerksamkeit! Und zwar ganze 60 Minuten am Stück. Das allein wäre bereits ein Eintrag ins Guinnessbuch des Schulwesens wert.

Die Darstellung der Rollen – Täter, Mitläufer, Betroffene – war so eindrucksvoll, dass einige Schüler kurz vergaßen, dass man normalerweise nur im Chemieunterricht jemanden leiden sieht. Die Dynamiken, wie schnell aus einem dummen Spruch eine Katastrophe wird, entfalteten sich auf der Bühne mit der Wucht eines plötzlichen WLAN-Ausfalls. Man merkte: Hier geht es nicht nur um Textlernen, sondern um echtes Verstehen. Ein Zustand, der im Schulalltag eher selten gesichtet wird.

Nach dem Stück wurde die Bühne zur Fragestunde. Natürlich auf Englisch, versteht sich. Die Jugendlichen nutzten die Chance, Fragen zu stellen, bei denen man deutlich merkte, dass sie nicht aus dem Arbeitsblatt Nummer 7 stammen, sondern tatsächlich aus dem eigenen Gehirn. Ein Schüler rief begeistert: „I loved it!“, und man hätte fast vermutet, dass er dafür vorab bezahlt wurde. Doch die Begeisterung war echt – und das ist bei Schultheater ungefähr so selten wie ein funktionierender Overheadprojektor.

Das Theater selbst gilt als Europas größte professionelle Truppe für englischsprachige Schulaufführungen. Jahr für Jahr erreichen sie Hunderttausende Schüler, die dadurch das erste Mal erleben, dass Englisch mehr sein kann als die richtige Reihenfolge von Past Perfect und Verzweiflung.

Ermöglicht wurde das Ganze durch die großzügige Unterstützung diverser guter Seelen: Stiftung, Schülerfirma, Förderverein – im Grunde eine All-Star-Liste der lokalen Bildungsfinanzierer. Ohne sie wäre die Veranstaltung vermutlich im Haushaltsentwurf zwischen „neue Kreide“ und „Notfalltopf für kaputte Stuhlbeine“ verschwunden.

Am Ende waren sich alle einig: Dieses Erlebnis muss wiederholt werden. Jedes Jahr. Am liebsten auch zwischendurch. Vielleicht sogar monatlich. Denn wenn ein einziges Theaterstück es schafft, dass 300 Jugendliche freiwillig Englisch sprechen – und das ohne Belohnung in Form von Einhornstickern oder Snackgutscheinen – dann ist das ein Wunder, das man pflegen sollte.