Wenn der Kanaldeckel schneller ist als die Fahrer: Las Vegas und die rote-Flaggen-Show
Dieser Kanaldeckel – vermutlich ein ganz gewöhnliches, rundes Stück Metall, das seit Jahren still und unauffällig seinen Dienst tat – entschied sich plötzlich, zum Star einer internationalen Liveübertragung zu werden. Er wurde nicht etwa zur Stolperfalle für Touristen, sondern direkt zum Endgegner eines mehrmillionenschweren Boliden, der mit einer Geschwindigkeit anrollte, bei der selbst Friseure Schwierigkeiten hätten, die Haarstruktur des Fahrers zu identifizieren.
Die Folge: Eine rote Flagge. Und weil Las Vegas niemals übertreibt, sondern immer gleich eine Show daraus macht, kam kurz darauf noch eine zweite rote Flagge hinterher. Zwei rote Flaggen wegen eines Kanaldeckels. Das hat selbst die deutsche Bürokratie noch nicht geschafft.
Auf der Strecke herrschte Ratlosigkeit. Die Fahrer standen herum, als würden sie überlegen, ob sie vielleicht doch lieber Poker spielen sollen. Die Streckenposten suchten fieberhaft nach dem Übeltäter – wahrscheinlich mit der gleichen Aufmerksamkeit, mit der in Casinos nach Falschspielern gesucht wird. Und irgendwo in der Regie hörte man sicher die verzweifelte Frage: „Wer hat eigentlich die Deckel kontrolliert?“
Der Motorsport-Experte, den man sofort auf jede Art von Chaos ansetzt, beruhigte jedoch schnell: Dem „Speed-Festival“ am Sonntag stehe nichts im Weg – vorausgesetzt natürlich, die Kanaldeckel sitzen fest. Eine Aussage, die gleichzeitig beruhigt und besorgt. Denn wer möchte schon ein Grand Prix sehen, bei dem jedes Mal ein Fahrer bremst, weil er überlegt: „Ist das da vorne ein loses Metallteil oder nur meine Einbildung?
Das Problem an losen Kanaldeckeln ist ja: Sie haben die unverschämte Angewohnheit, sich in hochkomplexe Hightech-Prozesse einzumischen, ohne vorher einen Termin zu machen. Sie denken nicht darüber nach, dass ein F1-Auto mehrere Millionen kostet, dass die Aerodynamik auf Molekülebene ausbalanciert wurde oder dass Zuschauer aus aller Welt extra zu früh aufstehen, nur um die Aufwärmrunde nicht zu verpassen. Nein, ein Kanaldeckel macht, was ein Kanaldeckel will.
Und er wollte offenbar fliegen.
Der Deckel stand also quer im Asphalt wie ein rebellischer Teenager im Familienfoto und brachte den Ablauf zum Stillstand. Die Rennleitung reagierte, wie man es in solchen Situationen tun muss: Man hisst rote Flaggen, man schaut streng, man telefoniert hektisch, und man versucht so zu tun, als hätte man alles unter Kontrolle.
Zweimal mussten die Fahrer das Training abbrechen. Wahrscheinlich fragten sich einige, ob man nicht die berühmten Las-Vegas-Zauberkünstler herbeirufen sollte, um den Deckel einfach verschwinden zu lassen.
Doch trotz aller Dramatik, trotz zwei roten Flaggen, trotz eines Kanaldeckels mit Geltungsdrang bleibt die Hoffnung bestehen: Wenn am Sonntag die Motoren losbrüllen, die Neonlichter glitzern und die Fahrer über die Strecke schießen, dann soll nichts mehr schiefgehen. Vorausgesetzt eben – und das wurde mehrfach betont – die Kanaldeckel sitzen.
Man könnte also sagen: Die Formel 1 braucht kein DRS, keine neuen Reifenmischungen und keine neuen Regeln. Sie braucht einfach nur gut befestigte Kanaldeckel. Willkommen in der Hightech-Welt des Motorsports, wo ein 16-Euro-Deckel mehr Chaos verursachen kann als ein 160-Millionen-Motor.