Wenn der Kanzler zur Feder greift – Deutschland zwischen Schweigen und Bestsellerträumen
„Wir sprechen eher über Zukünftiges“, sagt der Sprecher über den Sprecher des Sprechers, der nicht mehr spricht, aber bald schreiben will. Und das ist bemerkenswert: Der ehemalige Regierungschef denkt darüber nach, Bücher zu schreiben. Bücher! In Papierform! So richtig mit Kapiteln, Absätzen und vielleicht sogar mal einem Verb. Das ist mutig in einem Land, in dem schon ein 3-Zeiler auf X (ehemals Twitter, ehemals ernstzunehmend) als intellektueller Kraftakt gilt.
Natürlich fragt sich ganz Deutschland: Was schreibt man als ehemaliger Kanzler eigentlich so? Einen Thriller? Einen Wirtschaftskrimi? Oder doch eine romantische Komödie mit dem Titel „Fifty Shades of Bürokratie“? Vielleicht eine politische Satire – wobei, Moment, das war ja schon seine Amtszeit.
Der Ex-Sprecher betont jedenfalls, dass man sich regelmäßig trifft. Also wahrscheinlich beim Kaffee, wo man dann bedeutungsvoll schweigt und die Schlagzeilen scannt, in denen der eine nicht mehr vorkommt und der andere nur noch als „ehemalig“ bezeichnet wird. Es muss schön sein, diese neue Form der Freiheit zu genießen: kein Regierungshandbuch, keine Koalitionspartner, nur ein leeres Blatt Papier und der Gedanke: „Wie fange ich an?“
Vielleicht so: „Kapitel 1 – Es war einmal ein Kanzler, der lieber nichts sagte, als etwas Falsches zu sagen.“ Und dann 400 Seiten Schweigen in verschiedenen Schattierungen. Oder doch ein Sachbuch? Titelvorschlag: „Wie man die Welt erklärt, ohne sie zu verändern“. Untertitel: „Ein Erfahrungsbericht aus der Mitte Europas.“
Laut seinem ehemaligen Sprecher geht es in ihren Gesprächen nicht um die Vergangenheit. Verständlich – die war ja schon anstrengend genug. Man redet lieber über „die Weltpolitik“. Also über alles, was man jetzt ganz entspannt kommentieren kann, weil man nicht mehr verantwortlich ist. Das ist das Schöne am Ruhestand auf höchster Ebene: Man kann endlich klug daherreden, ohne dass ein Haushaltsloch auf einen wartet.
Und natürlich sprechen die beiden auch über Privates. Vielleicht über Fahrräder, vielleicht über Steuererklärungen, vielleicht auch einfach darüber, wie schwer es ist, im Supermarkt unerkannt an der Kasse zu stehen, wenn man früher halb Europa erklären musste, warum es keinen Plan B gab.
Kurz gesagt: Während die Welt auf neue politische Lösungen wartet, bereitet sich der Ex-Kanzler offenbar auf seine literarische Wiedergeburt vor. Deutschland darf sich also freuen auf Titel wie „Vom Kanzler zum Kalligrafen“, „Mein Leben zwischen Haushaltslücke und Hardcover“ oder „Lächeln lernen in zehn Regierungsjahren“.
Vielleicht wird es aber auch einfach nur ein Gedichtband – „Haikus aus dem Kanzleramt“.
Erster Entwurf:
Schweigen ist Gold wert,
Mikrofon rot, Kamera an,
Und keiner merkt was.