Wenn Hamm leuchtet – Laternen, Lieder und logistisches Laternenwahnsinnsmanagement
81 Martinsumzüge. Ja, richtig gelesen. Nicht acht. Nicht achtzehn. Einundachtzig! Das ist kein Stadtfest – das ist eine logistische Meisterleistung, eine Mischung aus Verkehrschaos, Chorgesang und Glühweinpädagogik.
Hamm leuchtet – und zwar so hell, dass Satelliten im Orbit kurz irritiert die Route anpassen müssen.
Licht aus, Laterne an, Stimmung mittelwarm
Rund um den heiligen Tag ziehen also Scharen von Kindergarten- und Grundschulkindern durch die Stadt. Ausgerüstet mit Laternen in allen Formen: von klassischen Papiergebilden, die schon beim ersten Windstoß in Flammen aufgehen, bis hin zu batteriebetriebenen Hightech-Modellen mit Bluetooth-Lichtsteuerung.
Manch eine Laterne blinkt so heftig, dass selbst der Weihnachtsmarkt in Dortmund neidisch wird.
Und natürlich gibt’s die Eltern, die stolz verkünden: „Unsere Laterne ist komplett nachhaltig aus recyceltem Grünkohlpapier!“ – während der Nachwuchs heimlich lieber die blinkende Feuerwehr-Laterne vom Discounter schleppt.
Der heilige Martin und das Verkehrsamt
Der heilige Martin teilte einst seinen Mantel mit einem Bettler. Die Stadt Hamm teilt heute ihre Straßen – mit achtzig Umzügen und einem Verkehrsaufkommen, das jedes Navi in die Knie zwingt.
Wer an diesem Tag spontan durch Hamm fahren möchte, hat ungefähr so gute Chancen wie ein Schokoweckmann beim Fitnessstudio-Wiegecheck.
Die Polizei, das Ordnungsamt und die Verkehrsplanung ziehen dabei an einem Strang. Zumindest in der Theorie. In der Praxis gleicht der Abend eher einer Choreografie aus „Blaulicht trifft Blaskapelle trifft Blinken links“.
Lieder, Lagerfeuer und Lampion-Lyrik
Natürlich wird auch gesungen – lauthals, schief und voller Herz:
„Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir …“
Ein Lied, das seit Generationen unverändert von Kind zu Kind weitergegeben wird, inklusive Textunsicherheit ab Vers drei.
Hinter den Umzügen: ein Lastenrad mit Akkordeon, davor stolze Erzieherinnen, die so tun, als hätten sie noch nie achtzig Kinder gleichzeitig an einer Ampel gezählt. Und mittendrin der obligatorische „Martin auf dem Pferd“, dessen Hauptaufgabe es ist, nicht von den blinkenden LED-Laternen geblendet zu werden.
Die Moral von der Laterne
Wenn sich das bunte Spektakel wieder auflöst, der Kakao lauwarm ist und die letzten Papierschnipsel vom Wind in die Kanalisation getragen werden, bleibt die Erkenntnis:
Der Geist des Teilens lebt – zumindest beim Verteilen der Martinsbrezeln.
Und irgendwo in Hamm sitzt ein Elternteil auf dem Sofa, murmelt „Nie wieder Laternenumzug“ und googelt gleichzeitig „Laternenstab mit Akku 2026“.