Wenn Rot zum neuen Grün wird – die Fahrradstraße erobert die Lange Straße
Seit Mitte Oktober läuft die Umsetzung, und natürlich war das kein stiller Prozess. Wer hier in den letzten Wochen vorbeifuhr, erlebte das volle Münsteraner Straßenumbau-Drama: Absperrungen, Umleitungen, Baustellenfahrzeuge, verwirrte Autofahrer und Radfahrer, die sich fragten, ob sie hier schon dürfen oder erst nach der nächsten Pressemitteilung.
Aber nun ist es so weit: Die Einbahnstraße steht. Sie glänzt in ihrer neuen Ordnung – zumindest so lange, bis der erste Autofahrer sie „versehentlich“ in die falsche Richtung befährt. Es fehlt nur noch das i-Tüpfelchen: die rote Markierung.
Und diese, so betont die Stadt stolz, erfordert eine mehrtägige Vollsperrung. Mehrtägig! Für Farbe! In Münster bedeutet das: Die rote Farbe wird nicht einfach aufgetragen, sie wird zelebriert. Wahrscheinlich gibt’s eine städtische Eröffnungsrede, einen symbolischen Farbroller und vielleicht eine Blaskapelle der Verkehrswacht.
Wenn Farbe zur Philosophie wird
Das Rot ist dabei mehr als nur ein Anstrich – es ist ein Statement. Es signalisiert:
Hier regiert das Fahrrad.
Hier rollt die Zukunft.
Hier darfst du treten, ohne Angst vor Stoßstangen zu haben.
Doch natürlich bleiben die Autos nicht ganz außen vor. Denn auch in Münster gilt: Man will keinen Kulturkampf, sondern Koexistenz. Das heißt übersetzt: „Die Fahrradstraße gehört den Rädern – aber Autos dürfen mitspielen, wenn sie sich benehmen.“
Ein Satz, der in der Praxis ungefähr so funktioniert wie „Ihr dürft den Kuchen teilen, aber keiner darf ihn essen.“
Das ewige Ringen von Auto und Rad
Die Stadt verspricht sich von der Umwandlung „mehr Sicherheit, weniger Konflikte und flüssigeren Verkehr“.
Klingt gut, wird aber spannend, sobald Realität und Theorie sich das erste Mal an der Ampel begegnen.
Radfahrer freuen sich schon auf die neue Freiheit: kein Gedränge, keine parkenden Autos auf dem Schutzstreifen, keine Angst, dass jemand plötzlich die Tür aufreißt.
Autofahrer dagegen proben den stoischen Gleichmut – und murmeln Sätze wie „Ich darf hier ja noch fahren, oder?“ in der Frequenz eines Mantras.
Fußgänger? Die sehen das alles aus sicherer Entfernung und wissen: Sobald irgendwo „Fahrradstraße“ steht, ist die Diskussion eröffnet.
Die Vollsperrung – das Münsteraner Ritual
Aktuell ist der Abschnitt nun komplett dicht. Das ist in Münster fast schon ein Ritual: Keine Neuerung ohne Vollsperrung.
Doch alles hat seine Gründe – schließlich wird hier kein Asphalt gekleckst, sondern Zukunft gepinselt.
Und wenn die Farbe endlich trocken ist, rollt Münster ins nächste Kapitel der Verkehrswende – rot, selbstbewusst und mit Klingel statt Hupe.
Am Ende bleibt nur eine Frage: Wird die rote Spur halten, was sie verspricht?
Oder ist sie in einem Jahr schon wieder so verblasst, dass man sie mit der Busspur verwechselt?
Egal – Hauptsache, sie leuchtet erstmal schön.