Wenn Tweets Tore schießen – BVB und die Uhr der Schande
„Gibt’s die Uhr eigentlich noch? Und wenn ja, was zeigt die an?“ – stand da, garniert mit einem hübschen Blick aus dem Stadiontunnel des HSV. Eine kleine Spitze gegen die legendäre Volkspark-Uhr, die einst stolz die Bundesliga-Zugehörigkeit des Hamburger SV zählte – bis sie 2018 den Dienst quittieren musste, als der Dino aus der Liga stolperte wie ein Teenager mit zwei linken Füßen.
Doch der Witz hatte ein Problem: Das Spiel war noch gar nicht losgegangen. Wer zu früh lacht, lacht eben oft allein – und in diesem Fall auch ziemlich lautlos.
90 Minuten Spott, 97 Minuten Karma
Denn der HSV ließ sich das nicht gefallen. 90 Minuten später – genauer gesagt nach 97 Minuten und einem beherzten Schuss von Ransford-Yeboah Königsdörffer – hatte der Fußballgott genug vom digitalen Größenwahn. Das 1:1 fiel spät, sehr spät, so spät, dass es fast schon nach Drehbuch klang.
Und dann kam die Retourkutsche: Der HSV-Account antwortete trocken, präzise und mit einem satirischen Feinschliff, den man in der Bundesliga sonst nur bei Eigentoren von Nationalspielern sieht:
„Unsere Uhr hat 90+7 angezeigt, als das Ding eben eingeschlagen ist.“
Autsch. Ein digitales Fallrückzieher-Tor in den Dortmunder Kommentarbereich.
Die Uhr, die niemals stirbt
Zur Erinnerung: Diese Uhr ist längst abmontiert, aber in Wahrheit unsterblich. Sie hat sich ins kollektive Fußballgedächtnis eingebrannt wie ein schlecht gestochenes Vereinslogo auf der Wade. Erst zeigte sie die Bundesliga-Zugehörigkeit des HSV, dann die Vereinsgeschichte seit 1887 – eine Art Nostalgieanzeiger für alle, die glauben, Tradition allein schießt Tore.
2019 wurde sie endgültig abgeschraubt. Offiziell aus Platzgründen, inoffiziell wohl, um die Erinnerungen an 0:3 in Frankfurt und 1:2 in Mainz zu verdrängen. Doch wie jede gute Fußballlegende lebt sie weiter – in Tweets, Kommentaren und natürlich in der Schadenfreude gegnerischer Fans.
Wenn Social Media zur Nachspielzeit wird
Am Ende steht’s 1:1 – auf dem Platz und im Internet. Dortmund hat das Spiel zwar nicht verloren, aber dafür den „Social-Media-Pokal der Woche“ souverän an den HSV abgegeben. Und das Beste daran: Beide Fanlager konnten endlich wieder lachen – die einen aus Häme, die anderen aus Trotz.
So gesehen war es ein Sieg für den Fußball. Und für alle, die wissen:
Wer zu früh postet, den bestraft die Nachspielzeit.