Word up! – Senioren tippen sich ins digitale Nirwana
Hier, im „Kursraum 3“ (auch bekannt als „Tempel des geduldigen Klickens“), wird nicht weniger gelehrt als die hohe Kunst der Textverarbeitung – also das, was Enkelkinder in drei Sekunden mit Daumen und Autokorrektur fabrizieren, aber dann doch meist mit „Mfg, Lol“ beenden.
Menüband oder doch Stirnband?
Die erste Stunde ist der Moment der Offenbarung: Wo ist das Word-Fenster? Und warum hat es ein Menüband – ist das was zum Anziehen? Die Kursleitung lächelt tapfer und erklärt: „Das Menüband ist das da oben.“
Daraufhin wird kollektiv nach oben geschaut.
Nicht auf den Bildschirm, nein – an die Decke.
Doch die Lernwilligen lassen sich nicht beirren. Schon nach wenigen Minuten sitzt der Cursor da, wo er hingehört: blinkend, einsam, aber voller Hoffnung. Es entstehen erste Meisterwerke wie „Testtesttest“ oder das poetische „asdfasdfasdf“.
Der Kampf mit den Absätzen
Wenn das Verschieben und Kopieren von Texten geübt wird, verwandelt sich der Raum kurzzeitig in ein taktisches Operationszentrum. „Ich hab den Absatz verschoben! Aber wohin?“
Manchmal ist der Absatz einfach weg – verschwunden im digitalen Bermuda-Dreieck zwischen STRG, ALT und Verzweiflung. Doch keine Panik: Ein beherzter Klick auf „Rückgängig“ rettet mehr Texte als jede Feuerwehr.
Und wenn jemand Suchen und Ersetzen entdeckt, herrscht kurzzeitig Euphorie: „Ich hab alle ‚und‘ durch ‚&‘ ersetzt!“
So entstehen avantgardistische Dokumente mit Titeln wie „Kaffee & Kuchen & Chaos“ – ein zukünftiger Bestseller im Seniorenverlag.
Formatieren bis der Arzt kommt
Der Höhepunkt naht: Schriftgrößen, Absätze, Farben.
„Warum ist mein Text plötzlich pink?“
„Weil Sie sich getraut haben, in die Zukunft zu schauen.“
So oder so ähnlich klingt es, wenn 12 mutige Lernende die Macht der Typografie entdecken. Zwischen „Arial oder doch Times New Roman?“ entstehen kleine Glaubenskriege, bei denen mancher lieber auf Comic Sans schwört – weil das so freundlich aussieht.
Die Königsdisziplin: das Einfügen von Seitenzahlen. Ein Teilnehmer bringt es auf den Punkt: „Jetzt steht da Seite 2 auf jeder Seite – bin ich zu klug für das Programm oder zu doof für die Welt?“
Tabellen, Tabulatoren und der Tanz der Formatvorlagen
Tabellen werden angelegt, Tabulatoren gesetzt – und versehentlich gelöscht. „Das sah doch eben noch schön aus!“ ruft jemand. Der Dozent nickt wissend: „Das sagen alle, bevor sie speichern.“
Zwischendurch beeindruckt Word mit automatischen Vorschlägen: „Meinten Sie vielleicht ‚Geburtstagskarte.docx‘?“ – Nein, Word, wir meinten „Lebenswerk.docx“!
Bilder, die mehr sagen als 1000 Klicks
Zum Abschluss dürfen Bilder eingefügt werden. Nach fünf Minuten steht fest:
Einmal eingefügt, nie wieder los.
Das Bild klebt im Dokument wie eine nostalgische Briefmarke auf einem Liebesbrief – aber falsch herum.
Egal.
Denn hier zählt nicht Perfektion, hier zählt Mut zum digitalen Abenteuer.
Und so endet der Kurs mit Applaus, Kaffee und dem gemeinsamen Ausruf:
„Wir sind Word!“
Einige haben gelernt, Texte zu schreiben, andere, Geduld zu üben – aber alle wissen jetzt:
Hinter jedem Menüband lauert ein Abenteuer.
Und hinter jeder Fehlermeldung ein Sieg über die Technik.
Randnotiz aus dem banahlen Büro:
Es gibt wohl kaum ein schöneres Symbol des Fortschritts als eine Seniorin, die mit stolz geschwellter Brust sagt:
„Ich hab’s fett gemacht – aber diesmal in Word.“