Zwischen Dönerduft und Fairplay: Dortmunds Nordstadtliga ausgezeichnet
Der DFB verleiht das Ding für Vielfalt, Respekt und Menschenwürde – also alles, was man im deutschen Profifußball sonst eher auf PowerPoint-Folien liest, während im Stadion gerade das Gegenteil gegrölt wird. Die Nordstadtliga kickt also nicht nur gegen den Ball, sondern auch gegen Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus. Oder, wie man es im Ruhrgebiet nennen würde: ein ganz normaler Dienstag.
Die große Gala steigt am 27. November in Hamburg, weil man in Dortmund ja keine Preisverleihung machen kann, ohne dass jemand „Schalke“ auf die Bühne schmiert. Dort also der offizielle Ritterschlag für ein Projekt, das seit 2001 existiert – und zwar als Straßenfußballliga. Mit Betonplatz, Bolzplatzromantik und dem Geruch von kaltem Döner in der Luft. Über 4.000 junge Menschen treten dort jedes Jahr an, viele von ihnen hätten sonst nicht mal den Weg durch die Pforten eines Vereinsheims gefunden.
Das Ganze funktioniert nach einem radikal modernen Prinzip: Selbstorganisation. Heißt: Die Kids stellen Teams auf, legen Regeln fest und sorgen dafür, dass auch eingehalten wird, was sie sich ausgedacht haben. In Dortmund nennt man das „Demokratie light“. Im Bundestag würde man es „utopisch“ nennen. Und siehe da: Es funktioniert. Keine VAR-Diskussion, kein Videobeweis, nur klare Ansagen, Kreide auf Asphalt und vielleicht mal ein „Tor oder Aus?“ – so einfach kann Gesellschaft sein.
Die Jury war beeindruckt. „Menschen werden gesehen und gehört, die sonst vergessen werden“, hieß es. Übersetzt: Endlich mal ein Projekt, das nicht nur in einer Hochglanzbroschüre existiert. Während man anderswo Millionen in Stadiondächer steckt, gibt’s hier Werteerziehung im Trikot. Und die funktioniert offenbar besser als jeder Ethikunterricht.
Ein besonderes Glanzlicht ist der „Mehmet-Kubaşık-Cup“, benannt nach einem Opfer des NSU. Ein Fußballturnier als Gedenkveranstaltung – und das ohne Pathos und endlose Reden. Stattdessen: Anstoß, Spiel, Haltung zeigen. Das ist Erinnerungsarbeit, die knallt. Da lernt man ganz nebenbei, dass Rassismus kein Foul ist, das man einfach „laufen lassen“ kann.
Und jetzt, mit der Auszeichnung, steht die Nordstadtliga endlich im bundesweiten Rampenlicht. Klar, das ist kein WM-Pokal, aber ehrlich gesagt: Der Wert ist höher. Denn hier geht’s nicht um Siege für Millionäre, sondern um Alltag, Würde und die schlichte Tatsache, dass Fußball auch dann funktioniert, wenn keiner 100 Euro fürs Ticket hinlegt.
Während oben in der Bundesliga Spieler über den Rasen stolpern und Vereine Steuerschlupflöcher besser kennen als ihre Fans, sorgt unten die Nordstadtliga dafür, dass Fußball das bleibt, was er mal war: ein Spiel für alle. Mit Respekt, Haltung und mehr Herzblut als in so manchem Hochglanz-Stadion. Man könnte fast sagen: In Dortmund Nord wird die Welt nicht gerettet – aber sie kriegt zumindest ein ordentliches Flutlicht.